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Projektbereich D - Wohlfahrt und Umwelt

Politik dient – neben der Gewährleistung von innerer und äußerer Sicherheit (Projektbereich C) – der Bereitstellung materieller Gemeinschaftsgüter wie ökonomische Stabilität, soziale Grundsicherung, Gesundheit, saubere Umwelt, Bildung etc. Die Teilprojekte des Projektbereichs D untersuchen systematisch die Governance-Leistungen transnationaler und lokaler Politik-Partnerschaften zwischen öffentlichen und privaten Akteuren in den Bereichen Wohlfahrt und Umwelt. Zum einen wird ausgelotet, unter welchen Bedingungen solche Partnerschaften zur Bereitstellung materieller Gemeinschaftsgüter in Entwicklungs- und Transformationsländern sowie in semi-kolonialen Räumen (China im 19. Jahrhundert) beitragen und welche Probleme dabei entstehen. Zum anderen werden die Bedingungen analysiert, unter denen insbesondere Unternehmen, die sich der freiwilligen Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards verschrieben haben, zur Steigerung der regulatorischen Kapazität von Entwicklungs- und Transformationsländern beitragen können.

Das Teilprojekt D1 von Thomas Risse und Marianne Beisheim analysiert die Erfolgsbedingungen transnationaler Public Private Partnerships in den Bereichen Umwelt, Gesundheit und Soziales. Untersucht werden die Bedingungen für die Institutionalisierung, die Problemlösungsfähigkeit und die Legitimität solcher Kooperationspartnerschaften (PPPs), die sich der Umsetzung der Millennium Development Goals der Vereinten Nationen widmen. Während D1 Risse/Beisheim den Beitrag von transnationalen öffentlich-privaten Kooperationspartnerschaften zur Bereitstellung von Gemeinschaftsgütern in Entwicklungs- und Transformationsländern mit „schwacher“ Staatlichkeit analysieren, konzentrieren sich die folgenden drei Teilprojekte des Projektbereichs auf die Governance-Rolle transnationaler Unternehmen und Banken.

Das Teilprojekt D2 von Tanja Börzel und Adrienne Héritier widmet sich dem Thema Fostering Regulation? Corporate Social Responsibility in Countries With Weak Regulatory Capacity. Das Projekt analysiert, unter welchen Bedingungen transnationale Unternehmen, die sich den Prinzipien von Corporate Social Responsibility (CSR) verschrieben haben, die regulatorische Kapazität in Räumen begrenzter Staatlichkeit befördern. Während ein Großteil der Globalisierungsliteratur davon ausgeht, dass transnationale Unternehmen zu einem race to the bottom und der Absenkung regulatorischer Standards beitragen, prüft D2 Börzel/Héritier – auf der Grundlage von sechzehn mikro-analytischen Fallstudien von CSR-Projekten in vier verschiedenen WirtschaftssektorenSüdafrikas – die Bedingungen, unter denen Unternehmen im Gegenteil zur Verbesserung solcher Standards und Kapazitäten beitragen. Auch das Teilprojekt D3 von Harald Fuhr – Emerging Modes of Governance and Climate Protection: Green Companies in Newly Industrializing Countries – erforscht die Rolle von Unternehmen bei der Verbesserung von regulatorischen Standards. In diesem Projekt geht es um den Beitrag von transnationalen Unternehmen, die sich am Clean Development Mechanism (CDM) – einem neuartigen klimapolitischen Instrument – beteiligen und damit potentiell neue Formen von Umwelt-Governance in den für den Klimaschutz so bedeutsamen Schwellenländern entwickeln helfen.

Während D2 Héritier/Börzel methodisch die Politikfelder und Wirtschaftssektoren variieren, den untersuchten Raum begrenzter Staatlichkeit aber konstant halten (in der ersten SFB-Phase), untersucht D3 Fuhr transnationale Unternehmen in einem Politikfeld – Klimaschutz – über mehrere Länder hinweg, nämlich Brasilien, Indien und China. Einen ähnlichen Ansatz wählt das Teilprojekt D4 Providing Macro-Economic Stability: The Politics of Private Sector Involvement in Sovereign Debt Crises von Henrik Enderlein, das die Bestimmungsfaktoren und Effekte von Private Sector Involvement (PSI) bei der Bearbeitung von Schuldenkrisen in Räumen begrenzter Staatlichkeit, studiert. Das Projekt untersucht zunächst, unter welchen Bedingungen die betroffenen Regierungen mit privaten Geldgebern (vor allem Banken) wie zusammenarbeiten, bevor es dann die Effektivität der unterschiedlichen Formen von PSI in den Blick nimmt.

Der Projektbereich D wird bereichert durch die mikro-historische Untersuchung öffentlich-privater Kooperationsnetze zur Bereitstellung von Gemeinschaftsgütern in semi-kolonialen Räumen. Im Rahmen des Teilprojekts D5 Kooperationsnetze und lokale Governance-Formen: Ernährung, Wasserversorgung und Bildung im semi-kolonialen China, 1860-1911 von Mechthild Leutner werden Erfolgsfaktoren, Nachhaltigkeit und Funktionen unterschiedlicher, teils informeller, teils institutionalisierter Kooperationsformen von staatlichen, korporativen und privaten chinesischen sowie westlichen Akteuren erforscht. Herausgearbeitet werden soll einerseits die Funktion dieser Kooperationen im politischen Machtgefüge des bürokratischen Qing-Staates, andererseits ihre Bedeutung für die Etablierung „moderner“ Selbstverwaltungsorgane und „zivilgesellschaftlicher“ Strukturen. Das Teilprojekt D5 Leutner ermöglicht damit den direkten Vergleich moderner PPPs mit ähnlichen Kooperationsformen in semi-kolonialen Räumen des 19. Jahrhunderts.

In der ersten Phase des SFB beziehen die Teilprojekte des Projektbereichs D ihre Leitfragen und Arbeitshypothesen aus unterschiedlichen Forschungsliteraturen. Auch methodisch unterscheiden sich die Teilprojekte erheblich und bedienen sich sowohl quantitativ-makroanalytischer (D4 Enderlein) wie qualitativ-mikroanalytischer Verfahren (D2 Börzel/Héritier, D5 Leutner). Um den in der zweiten Phase des SFB geplanten systematischen Hypothesentest (vgl. Rahmenantrag) zu erleichtern, ist vorgesehen, aus den Ergebnissen der ersten Phase einen gemeinsamen Bestand an plausibilisierten Hypothesen zu den Erfolgsbedingungen öffentlich-privater Kooperationen zu erstellen, die dann in den Teilprojekten des Projektbereichs D getestet werden können und zu einer theoretischen Verdichtung der geplanten Begriffs- und Modellbildung beitragen.