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Detaillierte Beschreibung der 2. Förderphase "Entwicklungspartnerschaften in Asien und Afrika"

Überblick

Bisherige Entwicklung des Teilprojekts D1

Forschungsziele und Leitfragen

Fallauswahl

Methoden und Operationalisierung

Stellung innerhalb des Sonderforschungsbereichs


Überblick

Das Teilprojekt D1 setzt die Analyse der Effektivität von transnationalen Entwicklungspartnerschaften fort, die in Räumen begrenzter Staatlichkeit Governance-Leistungen erbringen, um zur Umsetzung der Millennium Development Goals der Vereinten Nationen in den Bereichen nachhaltige Energie- und Wasserversorgung oder Gesundheitsvorsorge beizutragen. Effektivität operationalisieren wir entlang der Dimensionen Output, Outcome und Impact (à SFB-Rahmenantrag). In der zweiten Phase des SFB konzentrieren wir uns nun darauf, die Projektaktivitäten der beteiligten Akteure vor Ort auf der nationalen bzw. lokalen Ebene in Räumen begrenzter Staatlichkeit zu untersuchen. Unsere zentrale Forschungsfrage lautet: Unter welchen Bedingungen sind die Projekte transnationaler Entwicklungspartnerschaften in Räumen begrenzter Staatlichkeit effektiv?SFB-Ziel 3: Effektivität und Legitimität von Governance)

Wir betrachten ausgewählte Projekte aus einem Fallpool von 200 lokalen Projekten von vier transnationalen Entwicklungspartnerschaften (Global Alliance for Vaccines and Immunization [GAVI], Global Alliance for Improved Nutrition [GAIN], Renewable Energy and Energy Efficiency Partnership, Water and Sanitation for the Urban Poor), deren Effektivität wir in der ersten Phase auf der transnationalen Ebene gemessen haben. Wir greifen die bisherigen Ergebnisse zu den Erfolgsbedingungen auf transnationaler Ebene auf, und wollen nun die Analyse der Effektivität der Public Private Partnerships (PPP) auf nationaler und lokaler Ebene weiter verfolgen. Diese Projekte befinden sich in Südasien und Ostafrika (Indien und Bangladesch, Kenia, Uganda und Somalia). Projektraum kann dabei ein Land, eine Region oder ein städtischer Slum sein.

Wir untersuchen die Kausalbeziehungen zwischen der Effektivität der untersuchten PPP-Projekte und den folgenden Erfolgsfaktoren: Erstens fokussieren wir ausgewählte Charakteristika des institutionellen Designs der PPP sowie die von der PPP ergriffenen Maßnahmen (erklärende Variablen mit Blick auf das PPP-Projekt). Hier stehen die Kapazitäten des Sekretariats und der Partner, das interne Kommunikationsmanagement, die Projektentwicklung, das Monitoring und das Ressourcenmanagement sowie kapazitätsstärkende Maßnahmen als potentielle Erklärungsfaktoren im Mittelpunkt. Zweitens berücksichtigen wir nationale und lokale Kapazitäten bzw. Kapazitätsdefizite, v.a. mit Blick auf Regeldurchsetzungsfähigkeit (erklärende Variablen mit Blick auf den Projektraum, à SFB-Ziel 2: Staatlichkeit als Kontextbedingung von Governance). Unsere Fallauswahl garantiert im Hinblick auf beide Erklärungsfaktoren Varianz. Somit können wir die Relevanz der spezifischen Bedingungen in Räumen begrenzter Staatlichkeit bei der Erbringung von Governance-Leistungen durch Partnerschaftsprojekte untersuchen und damit einen Beitrag zur zentralen Leitfrage des SFB 700 leisten. Auf der angenommenen Kausalkette analysieren wir zudem Aneignungs- bzw. Abwehrprozesse im Zusammenhang mit den Interessen und Ideen nationaler und lokaler Akteure sowie lokale Governance-Diskurse (à SFB-Ziel 4: Aneignungs- und Abwehrprozesse in Räumen begrenzter Staatlichkeit). Die Relevanz der jeweiligen Erklärung überprüfen wir im paarweisen Vergleich ausgewählter Fälle (Differenzmethode). Methodisch nutzen wir Prozessanalysen auf der Basis von Experteninterviews, Dokumentenanalyse und Feldforschung.

Bisherige Entwicklung des Teilprojekts D1

Das Teilprojekt D1 untersuchte in der ersten Phase den Institutionalisierungsgrad von 21 transnationalen öffentlich-privaten Partnerschaften (Public Private Partnerships, PPP)[1] als zentrale Bedingung für den Erfolg bei der Erbringung von Kollektivgütern in den Bereichen Umwelt, Gesundheit und Soziales in Räumen begrenzter Staatlichkeit (à SFB-Ziel 3: Effektivität und Legitimität von Governance). Dabei zeigt sich, dass viele der erfolgreichen PPP über drei Merkmale verfügen: Sie weisen einen hohen Institutionalisierungsgrad, ein ausgeprägtes Prozessmanagement und Maßnahmen der Kapazitätsstärkung auf.

Bei der Erklärung der Effektivität transnationaler Partnerschaften gingen wir von drei Bedingungen für die (erfolgreiche) Kooperation zwischen nicht-staatlichen und staatlichen Akteuren aus, die wir aus Theorien der Internationalen Beziehungen ableiteten: (a) Macht und/oder Zwang, (b) Interessen, z.B. an Ressourcentausch, oder (c) geteilte Normen und deren Legitimität (Beisheim et al. 2007). Im Verlauf der ersten Projektphase haben wir unser Analyseraster präzisiert und um den Erklärungsfaktor „kapazitätsstärkende Maßnahmen“ ergänzt (Beisheim et al. 2007: 259; Beisheim et al. 2008: 468f). Bei der Analyse der Erfolgsbedingungen beobachteten wir, je nach Typus von transnationaler Partnerschaft, folgende Muster: Erfolgsbedingungen variieren für PPP zum Wissenstausch, zur Standardsetzung und für PPP, die vor Ort Serviceleistungen bereitstellen (Liese/Beisheim 2010).

Effektivität operationalisieren wir als das Erreichen selbst gesteckter Zielsetzungen der PPP und unterscheiden dabei zwischen Output, Outcome und Impact (Beisheim et al. 2008; Liese/Beisheim 2010; ähnlich Fuchs 2006; Huckel et al. 2007; Wolf 2007, à SFB- Rahmenantrag), wobei wir bislang vor allem den Output auf transnationaler Ebene untersuchten. Dabei wurde deutlich, dass wir bezüglich der Zielerreichung weiter differenzieren müssen: Einige Partnerschaften erreichen ihre Ziele bereits wenn sie Policy-Papiere produzieren oder Medikamente verteilen (Output). Eine PPP wie die Global Alliance for the Elimination of Leprosy erreicht ihre Ziele jedoch erst, wenn sie Lepra eliminiert hat (Impact). Außerdem muss bei der Effektivitätsmessung zwischen der transnationalen Entscheidungsebene und der nationalen Implementierungsebene unterschieden werden. In der ersten Phase haben wir ersteres untersucht.

Generell sehen wir hinsichtlich der Effektivität von transnationalen Partnerschaften unsere zentrale Ausgangshypothese bestätigt: Ein hoher Institutionalisierungsgrad, d.h. präzise Normen, ein hohes Maß an verbindlichen Verpflichtungen und an Überwachungsmechanismen (Abbott et al. 2000), korreliert v.a. bei Service- und Standardsetzungs-PPP mit Effektivität (Liese/Beisheim 2010). Partnerschaften, die einen niedrigen Institutionalisierungsgrad aufweisen, sind demgegenüber eher ineffektiv. Letzteres konnten wir gleich für mehrere PPP zeigen: die Global Water Partnership, den Global Code of Ethics in Tourism, Roll Back Malaria, die Children’s Vaccine Initiative. Bei den Partnerschaften zum Wissensaustausch und zur Bewusstseinsbildung ist der Institutionalisierungsgrad für die Zielerreichung hingegen weniger relevant, weil es sich in der Regel um Koordinations-, nicht um Kooperationsprobleme handelt (Campe/Beisheim 2009). Generell können wir jedoch als Ergebnis festhalten, dass präzise Handlungsauflagen, ein hoher Verpflichtungsgrad und eine externe Erfolgskontrolle sich positiv auf die Zielerreichung der Service- und Standard-PPP auswirken.

Wir fragten auch, wie ein hoher Institutionalisierungsgrad zustande kommt (Institutionalisierungsgrad als abhängige Variable). Grundsätzlich finden wir bei Service-Partnerschaften, die einen hohen Umsatz an finanziellen Mitteln und/oder materiellen Gütern verwalten (z.B. GAVI, Global Fund To Fight Aids, Tuberculosis and Malaria [Global Fund]) oder bei PPP zur Standardsetzung und Zertifizierung (z.B. Common Code for the Coffee Community [C4], Social Accountability 8000), einen höheren Institutionalisierungsgrad, als bei PPP zum Wissenstausch (z.B. Global Network on Energy for Sustainable Development). Den Institutionalisierungsgrad von Service-Partnerschaften können wir durch eine Kombination von zwei Variablen erklären: (a) das Vorhandensein einesmateriell mächtigen Akteurs in der PPP und (b) die Interessenkonstellation der beteiligten Akteure. Viele PPP sind geberinitiiert, d.h. dass beispielsweise Stiftungen wie die Bill und Melinda Gates-Stiftung, die anfänglich anfallenden Kosten tragen. Handelt es sich um ein Kooperationsproblem und existiert ebenfalls ein mächtiger Akteur, der die Institutionalisierung der PPP vorantreibt und für ihre Kosten aufkommt, dann wird der Institutionalisierungsgrad der Partnerschaft eher hoch sein.

Vor allem in Zusammenhang mit dem Kooperationsproblem, erklären geteilte Normen und Legitimität den Institutionalisierungsgrad von Standardsetzungs-PPP. Standardsetzungs-Partnerschaften, bei denen die Gefahr des Schummelns (z.B. Trittbrettfahren) gegeben ist und bei denen es Kampagnen von Normunternehmern (z.B. NGOs) gab, weisen einen hohen Institutionalisierungsgrad auf. Auf den Institutionalisierungsgrad der von uns untersuchten Service-PPP hatten entsprechende Kampagnen jedoch keinen Einfluss. Dennoch bilden Normen den Kontext für die Entstehung der meisten PPP. So schaffen Kampagnen von transnationalen „advocacy networks“ oder „epistemic communities“ ein Umfeld, in dem sich Wirtschaftsunternehmen überhaupt erst einen Imagegewinn durch ihre Beteiligung an transnationalen Partnerschaften versprechen. Wir finden hier die Annahmen des soziologischen Institutionalismus bestätigt, denen zufolge Akteure sich bestimmter kultureller „skripts“ bedienen, die als angemessen gelten (Meyer/Rowan 1977; vgl. Liese 2009).

Auch die wechselseitige Ressourcenabhängigkeit ist ein wichtiger Faktor für den Institutionalisierungsgrad von Partnerschaften, d.h. es bestätigen sich auch rationalistische Annahmen. Internationale Organisationen initiieren PPP, weil sie private Partner mit Ressourcen suchen (z.B. im Falle der Global Alliance for the Elimination of Leprosy). Wirtschaftsunternehmen haben ein Interesse am Zugang zu Wissen (etwa Informationen über die langfristige Marktentwicklung) und an der Legitimierung ihrer Geschäftsideen, wenn etwa Nahrungsergänzungsstoffe durch die Global Alliance on Improved Nutrition (GAIN) als Mittel zur Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele präsentiert werden. Zur spezifischen Motivation von Unternehmen im Rahmen von transnationalen Partnerschaften schreibt Sabine Campe ihre Dissertation. Sie geht der Frage nach, warum Großunternehmen der Wasser- und Energieversorgungsbranche sich unterschiedlich stark in transnationalen Partnerschaften engagieren. Darüber hinaus ist die Initiierung vieler PPP auf die normative Führungsrolle einzelner Persönlichkeiten bei Unternehmensstiftungen oder bei internationalen Organisationen zurückzuführen (z.B. Kofi Annan im Falle des Global Compact oder Gro Harlem Brundtland sowie Bill und Melinda Gates im Falle einiger Gesundheitspartnerschaften).

Was nun die Effektivität transnationaler Partnerschaften angeht, so hat sich neben dem erwähnten Institutionalisierungsgrad vor allem das Prozessmanagement auf der transnationalen Ebene als wichtig erwiesen (Liese/Beisheim 2010; Campe/Beisheim 2009). Insgesamt beobachten wir, dass Partnerschaften, die relativ gut funktionieren, sich im Bereich des Prozessmanagements deutlich gewandelt haben. Ihre Organisationsform hat sich stark verändert und „feedback loops“ sorgen für ständige Anpassung an neue Herausforderungen. Wir finden Anzeichen für die Herausbildung von „Modellen“ für partnerschafts-interne Governance-Strukturen, die eine Art Standard darstellen, dem sich PPP über Zeit annähern: ein Board mit wenigen Entscheidungsträgern, ein unabhängiges Sekretariat und der formale Einbezug möglichst vieler „stakeholder“ (vgl. Beisheim et al. 2008; Campe 2008a;ähnlich Dingwerth/Pattberg 2009).

Dieser organisatorische Wandel, der bei PPP schneller und umfangreicher auftritt als etwa bei internationalen Organisationen, kann wiederum das Resultat von institutionalisierten Lernprozessen sein. Festgefahrene Organisationskulturen internationaler Organisationen verursachen dagegen Probleme, wie z.B. im Falle des Verhältnisses von WHO und der Roll Back Malaria Partnerschaft (zu solchen Organisationspathologien vgl. Schäferhoff 2008b). Eine Partnerschaft kann auch zum Eigenerhalt einer internationalen Bürokratie dienen, indem beispielsweise lediglich bestimmte Themen besetzt werden, ohne dass diese jedoch  in entsprechende Projektaktivitäten umgesetzt würden (wie im Falle des Global Code of Ethics in Tourism). Es gibt Anzeichen dafür, dass ein gutes Prozessmanagement und die Führungsrolle einzelner Persönlichkeiten die Wirkung solch organisationaler Pathologien abfedern können, etwa durch mit Führungsfähigkeiten ausgestattete Moderatoren (z.B. Sekretariatsleiter) oder durch engagierte Unternehmer mit Verfügungsgewalt über Finanzmittel oder Know-how, wie im Falle der Gates-Stiftung.

Die Bedeutung der Legitimität der transnationalen Partnerschaften für ihre Effektivität variiert und ist ebenfalls abhängig vom Typ der PPP (à SFB-Ziel 3: Effektivität und Legitimität von Governance). Bei den untersuchten Service-Partnerschaften findet sich kein Zusammenhang, wohl aber bei Standardsetzungs-PPP. Die meisten Partnerschaften versuchen bei ihrer Zielgruppe vor Ort den „ownership“-Gedanken zu fördern und eine breite Partizipation zu erreichen (wie im Falle der Global Water Partnership, dem Global Fund, der International Alliance Against Hunger), während jedoch auf transnationaler Ebene die Einbindung der Stakeholder gering bleibt. Die Qualität der Partizipation ist hier oft mangelhaft und die geringen Kapazitäten von Entwicklungsländern und NGOs verhindern deren substantielle Teilhabe (z.B. bei der GAVI Alliance oder bei Roll Back Malaria). In manchen Fällen sind NGOs gar nicht im Steuerungsgremium vertreten (wie z.B. bei der Global Village Energy Partnership). Bei der Standardsetzung sind hingegen jene Partnerschaften erfolgreicher, die langfristige Partizipationsprozesse einrichten (Social Accountability 8000, Common Code for the Coffee Community). Generell basiert bei den Service-Partnerschaften die empirische Anerkennung durch die Betroffenen eher auf ihrer Output-Legitimität. Es zählt, wenn schnell gute Resultate erzielt wurden.

Zur Bedeutung der Legitimität von transnationalen Partnerschaften schreibt Christopher Kaan seine Dissertation. Es geht ihm im Besonderen um den Zusammenhang zwischen der Partizipation der Normadressaten bei der Regelsetzung durch Standardsetzungs-Partnerschaften einerseits, und der anschließenden Normeinhaltung andererseits. Mit Hilfe von Prozessanalysen versucht er zwei Kausalpfade für eine erhöhte Normeinhaltung zu prüfen: Zum einen die durch das gemeinsame Handeln der Akteure erzeugte Einsicht der Normadressaten, sich gemeinsam beschlossenen Normen auch unterzuordnen (Legitimitätsglaube, Ownership), zum anderen die Anpassung der Lösung an die Implementationsprobleme und –be­schränkungen der beteiligten Normadressaten (Lösungsanpassung).

Marco Schäferhoff fragt in seiner Dissertation, welche elementaren Staatsfunktionen als Rahmenbedingungen gegeben sein müssen, damit transnationale Gesundheitspartnerschaften effektiv arbeiten können (à SFB-Ziel 2: Staatlichkeit als Kontextbedingung von Governance). Im Zentrum seiner Arbeit stehen Programme des Global Fund und der GAVI Alliance, die auf ihre Wirksamkeit hin untersucht werden. Die Fallstudien behandeln Programme in einigen Staaten in Subsahara-Afrika, darunter Somalia, Kenia und Senegal. Sowohl der Global Fund als auch die GAVI Alliance haben es geschafft, in Räumen zerfallener Staatlichkeit Service-Leistungen im Bereich HIV/Aids-, Tuberkulose- und Malariabekämpfung effektiv bereitzustellen. Hierfür war die Kooperation mit lokalen Akteuren zentral. Beispielsweise hat das aufgrund der Instabilität Somalias in Nairobi gegründete Gesundheitskomitee des „Somalia Aid Coordination Body“ (SACB) erfolgreich einen Finanzierungsantrag an den Global Fund für ein Tuberkulose-Programm gestellt (vgl. Schäferhoff 2008b). Sobald lokale Akteure die erbrachten Service-Leistungen als „Gut“ ihrer lokalen Gemeinschaft verstünden, könnten Programme erfolgreich arbeiten, und das selbst in so instabilen Orten wie Mogadishu. Diese Erkenntnisse der ersten Förderperiode spielen für die Konzeption der empirischen Untersuchungen der zweiten SFB-Phase eine wichtige Rolle (siehe 3.4).

Die Ergebnisse des Teilprojekts D1 fügen sich gut ein in die Ergebnisse der anderen Projekte des Projektbereichs D (Beisheim/Fuhr 2008). So thematisieren alle D-Projekte, im aktuellen wie im historischen Kontext, dass gewisse minimale Kapazitäten staatlicher Partner für das Zustandekommen und die Effektivität der Interaktion mit privaten Partnern förderlich sind (à SFB-Ziel 2: Staatlichkeit als Kontextbedingung von Governance). (Zwischen-)Staatliche Bürokratien, die unliebsame Konkurrenz wittern oder lokale Widerstände wurden dagegen in mehreren Projekten als erhebliches Blockade-Potential identifiziert. Ähnlich wie andere Projekte der Projektbereiche C und D, beobachten auch wir verschiedene Phasen der Arbeit von Partnerschaften sowie deren rasanten institutionellen Wandel. Diese Beobachtungen werden auch für die zweite Förderperiode wichtig bleiben.

Insgesamt verfügen also erfolgreiche transnationale Partnerschaften über drei Merkmale: Sie weisen einen hohen Institutionalisierungsgrad, ein ausgeprägtes Prozessmanagement und Maßnahmen der Kapazitätsstärkung auf. Noch wissen wir nicht, ob diese Merkmale von gleicher Bedeutung für die Effektivität der Partnerschaften sind, ob sie sich kumulativ verstärken, oder ob eine Bedingung der zentrale Kausalfaktor ist. Dies wollen wir in der zweiten Förderperiode des Projekts D1 untersuchen. Da wir außerdem die empirische Forschung in der ersten Phase weitestgehend auf die Arbeit der PPP auf transnationaler Ebene beschränkt haben, fehlen uns bislang entscheidende Informationen zur Einschätzung von Effektivität und Erfolgsbedingungen vor Ort in Räumen begrenzter Staatlichkeit. In der zweiten Projektphase folgen wir der Wirkungskette von der transnationalen Kooperation zur lokalen Umsetzung in Räumen begrenzter Staatlichkeit. Dabei greifen wir zunächst den zentralen Befund der ersten Phase auf, demzufolge sich die drei oben genannten Merkmale als besonders erklärungskräftig für die Effektivität von Service-Partnerschaften erwiesen haben. Um diese Variablen auch für die Erklärung der Effektivität von Projekten auf lokaler Ebene nutzbar zu machen, konzipieren wir sie im Folgenden teilweise neu. Zudem erweitern wir die Analyse um weitere Faktoren, die uns für die Effektivität der Partnerschafts-Projekte auf nationaler bzw. subnationaler Ebene wichtig scheinen, insbesondere bezüglich der Kapazitäten in den Projekträumen.

Forschungsziele und Leitfragen

Das Teilprojekt D1 setzt die Analyse der Effektivität von transnationalen Entwicklungspartnerschaften fort, die in Räumen begrenzter Staatlichkeit Governance-Leistungen erbringen. In der zweiten Phase werden die Projektaktivitäten vor Ort in den Bereichen der nachhaltigen Energie- und Wasserversorgung sowie der Gesundheitsvorsorge in Räumen begrenzter Staatlichkeit in Südasien (Indien und Bangladesch) und Ostafrika (Kenia, Uganda, Somalia) analysiert. Als maßgebliche Erklärungsfaktoren für die Effektivität der Projekte prüfen wir zum einen das institutionelle Design der Partnerschaftsprojekte selbst, zum anderen die nationalen und lokalen Kapazitäten vor Ort. Unsere zentrale Leitfrage lautet entsprechend:

Unter welchen Bedingungen sind die Projekte transnationaler Entwicklungspartnerschaften in Räumen begrenzter Staatlichkeit effektiv?

Basierend auf den Ergebnissen der ersten Phase, soll die Analyse der Erfolgsbedingungen von transnationalen öffentlich-privaten Kooperationspartnerschaften vertieft und erweitert werden. Im Sinne der Vertiefung von Ergebnissen, greifen wir jene Einflussfaktoren heraus, bei denen wir in der ersten Projektphase eine Kovarianz mit der abhängigen Variable (Effektivität) beobachtet haben. In der zweiten Phase wollen wir nun die angenommenen kausalen Effekte nachweisen. Im Sinne der Erweiterung, beziehen wir zum einen die Länderebene bzw. lokale Räume begrenzter Staatlichkeit und damit auch neue Einflussfaktoren für die Effektivität von Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit stärker in die Analyse ein (à SFB-Ziel 3: Effektivität und Legitimität von Governnance). Zum anderen nehmen wir einige induktiv gewonnene Faktoren in den Blick, die uns im Laufe der empirischen Arbeit der ersten Phase als relevant aufgefallen sind, deren kausale Effekte wir aber noch nicht nachweisen konnten.

Eine Besonderheit unseres Forschungsdesigns ist, dass wir theoretische Annahmen der Institutionentheorie mit Annahmen über die Relevanz von Staatlichkeit verbinden, und dies für die Analyse der Effektivität öffentlich-privater Entwicklungszusammenarbeit nutzbar machen. Wir betrachten erklärende Variablen, die auf verschiedenen Ebenen angesiedelt sind: Zum einen Merkmale der PPP-Projekte selbst, z.B. Ressourcen, Regeln und Fähigkeiten der transnationalen Partnerschaft bzw. der nationalen und lokalen Partnerorganisationen (institutionelles Design), zum anderen institutionelle Merkmale im Projektraum vor Ort (Begrenztheit von Staatlichkeit, à SFB-Ziel 2: Staatlichkeit als Kontextbedingung von Governance). Innovativ an dieser Analyse von Entwicklungsprojekten, ist die Berücksichtigung von Mehrebenen-Prozessen, die die von uns betrachteten transnationalen Partnerschaften und ihre Projekte kennzeichnen (à SFB-Rahmenantrag). Dabei wollen wir Akteure keineswegs vernachlässigen.[2] In unserem Fall versuchen Akteure, unter den Bedingungen begrenzter Staatlichkeit, die Umsetzung der Millenniumsentwicklungsziele über die Bereitstellung von bestimmten Governance-Leistungen zu fördern. Wir erheben, wie am Projekt beteiligte Akteure ihre Arbeit institutionell gestalten (Charakteristika des PPP-Projekt-Designs, -Manage­ments und der Partner) und unter welchen institutionellen Rahmenbedingungen sie arbeiten (Kapazitäten im Projektraum). Darüber hinaus kommen die Akteurs­interessen und -ideen auch bei der Analyse der Kausalpfade in den Blick, wo Differenzen zwischen transnationalen und lokalen Akteuren zu Aneignungs- oder Abwehrprozessen führen (à SFB-Ziel 4: Aneignungs- und Abwehrprozesse in Räumen begrenzter Staatlichkeit).

Fallauswahl: Projekte vor Ort in Räumen begrenzter Staatlichkeit

In der zweiten Förderphase werden wir uns auf Entwicklungsprojekte vor Ort von vier transnationalen Service-Partnerschaften aus unserem bisherigen Fallpool konzentrieren. Unsere Untersuchungseinheit, die wir für die zweite Phase wählen, ist also ein Projekt vor Ort in Räumen begrenzter Staatlichkeit. Dies hat mehrere Vorteile: Erstens können wir auf den vorliegenden Fallstudien aufbauen. Erhalten bleibt der Fokus auf transnationale Partnerschaftsprojekte, also Initiativen mit mindestens einem externen Partner, sei es einer internationalen Organisation (IO), transnationalen Nicht-Regierungsorganisation oder einem transnationalen Wirtschaftsunternehmen. So können wir Mehrebenen-Prozesse gut untersuchen. Zweitens sind vor allem Service-Partnerschaften auf der lokalen Ebene mit konkreten Projekten aktiv. Drittens lässt sich bei diesen Partnerschaften am besten nach Projektbeginn die Effektivität messen, während bei bewusstseinsverändernden Wissens- und Standardsetzungs-PPP eine Messung nur über größere Zeitabstände möglich wäre. Darüber hinaus achten wir bei der Auswahl der Partnerschafts-Projekte auf Varianz im Hinblick auf die ausgewählten Erklärungsvariablen bezüglich des Projekts selbst und den Raum begrenzter Staatlichkeit. Wir untersuchen Projekte von vier transnationalen Entwicklungspartnerschaften, die wir im Folgenden kurz vorstellen (zur Länderauswahl siehe 3.4.2)

Die „Global Alliance for Vaccines and Immunization” (GAVI Alliance) wurde 1999 gegründet (Schäferhoff 2008a). GAVI widmet sich der Entwicklung und Verbreitung von Impfstoffen, vor allem für Kinder in armen Ländern. Mitglieder der PPP sind, neben UNICEF, der Weltbank und der WHO, zahlreiche nationale Gesundheitsinstitutionen, akademische Institutionen und die Gates-Stiftung. GAVI wurde ausgewählt, weil sie vielen Beobachtern als eine der effektivsten Partnerschaften im Gesundheitssektor gilt (Chee et al. 2007; Lu et al. 2006) und die beispielsweise den Hepatitis B Impfstoff in 75 Entwicklungsländern einführte. Auch in den von uns zu untersuchenden Ländern (Indien, Bangladesch, Kenia, Uganda und Somalia) hat GAVI mit Hilfe lokaler Partner Impfkampagnen durchgeführt. Eine Besonderheit des Projektdesigns ist, dass Projektmittel nur nach Begutachtung durch unabhängige Experten vergeben werden.

Die „Global Alliance for Improved Nutrition” (GAIN) wurde 2001 als Partnerschaft zur Bekämpfung von Vitamin- und Mineralstoffmangel initiiert (Kaan 2008). Ihr gehören die US-amerikanischen und kanadischen Entwicklungsagenturen USAID und CIDA, verschiedene internationale Organisationen (z.B. UNICEF, Weltbank), multinationale Konzerne (z.B. Unilever), Stiftungen (z.B. Gates-Stiftung) und NGOs an. GAIN vergibt Zuschüsse für nationale Projekte zur Anreicherung von Grundnahrungsmitteln und berät die Projekte. Die Partnerschaft ist insofern erfolgreich, als sie bereits 160 Millionen Menschen mit angereicherten Lebensmitteln erreicht. Seit 2005 hat GAIN in verschiedenen indischen Bundesstaaten Projekte mitfinanziert. Sie ist auch in Bangladesch (Anreicherung von Öl) und Uganda (Öl und Maismehl) aktiv. Eine Besonderheit ist der starke Wandel im Management, v.a. mit Blick auf Capacity Building.

Die 2004 gegründete Partnerschaft „Water and Sanitation for the Urban Poor” (WSUP), an der die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) beteiligt ist, versucht die Versorgung der Bevölkerung in stadtnahen Slums und sog. informellen Siedlungen mit sauberem Trinkwasser und funktionierender Abwasserentsorgung zu verbessern (vgl. Campe 2008c, Beisheim 2006). Beteiligt sind privatwirtschaftliche Akteure (z.B. RWE Thames Water, Halcrow Group), aber auch NGOs (u.a. CARE Int. UK, WaterAid) sowie UNDP und die International Water Association. WSUP ist für unsere Untersuchung wegen des innovativen Projektdesigns interessant. Erste, von Beobachtern als sehr vielversprechend eingeschätzte Pilotprojekte, werden im indischen Bangalore, in Bangladesch und in zwei städtischen Slums in Kenia durchgeführt.

Die „Renewable Energy and Energy Efficiency Partnership” (REEEP) wurde 2003 gegründet (Campe 2008b) und setzt sich für die Einführung von erneuerbaren Energien und eine verbesserten Energieeffizienz ein. Die Partnerschaft wird von verschiedenen europäischen Regierungen sowie der USA und Kanada finanziert und kooperiert u.a. eng mit der Weltbank und UNIDO. REEEP unterstützt die Projekte verschiedener Partner durch Ko-/Finanzierung, Monitoring und Evaluierung. Regionale Sekretariate unterstützen die Auswahl und Implementierung von Projekten. REEEP hat mittlerweile über 100 Projekte durchgeführt, die im Projektdesign sehr unterschiedlich sind. Auch in Indien war REEEP mit vielen verschiedenen Projekten aktiv und hat in Uganda ein Projekt zur Einführung von „Solar Water Heating“ durchgeführt.

Insgesamt betrachten wir verschiedene Projekte in unterschiedlichen Räumen begrenzter Staatlichkeit. Die vier transnationalen Partnerschaften sind in Indien und Kenia oder alternativ auch in Bangladesch, Uganda und Somalia aktiv. Der untersuchte Raum begrenzter Staatlichkeit kann je nach Projekt ein Land, aber auch kleinräumiger eine Region oder ein städtischer Slum sein. Da ein Fall ein Projekt ist, kommen wir insgesamt auf einen Fallpool von über 200 Fällen. Dabei werden wir paarweise einzelne Projekte systematisch miteinander vergleichen.

Methoden und Operationalisierung

Operationalisierung der abhängigen Variable

Wir operationalisieren unsere abhängige Variable „Effektivität“ in den Dimensionen Output, Outcome, Impact wie folgt (vgl. Liese/Beisheim 2010, siehe Tabelle 1): Output 1 bezieht sich auf die Maßnahmen, die die transnationale PPP unternimmt, während Output 2 sich auf die Maßnahmen der Partner auf nationaler oder lokaler Ebene bezieht.[3]Outcome bezieht sich auf die Wirkung dieser Aktivitäten und das veränderte Verhalten der Zielgruppe. Impact bezeichnet den Beitrag zur Problemlösung.

Tabelle 1: Operationalisierung der Effektivität von PPP

 

Output 1

Output 2

Outcome

Impact

hoch

Substantielle Bereitstellung von Wissen, Standards, Dienstleistungen (im Sinne der PPP-Ziele)

Vollständige Übernahme bzw. Umsetzung von Wissen, Standards, Dienstleitungen

Substantieller Wandel des Verhaltens bzw. umfassende Nutzung des Angebots durch die Zielgruppe

Substantieller Beitrag zur Problemlösung

mittel

Gewisse Bereit-stellung von Wissen, Standards,

Dienstleistungen (im Sinne der PPP-Ziele)

Teilweise Übernahme bzw. Umsetzungen von Wissen, Standards, Dienstleitungen

Teilweiser Wandel des Verhaltens bzw. partielle Nutzung des Angebots durch die Zielgruppe

Gewisser Beitrag zur Problemlösung

niedrig

Keine oder nur geringfügige Bereitstellung von Wissen, Standards, Dienstleistungen (im Sinne der PPP-Ziele)

Keine oder nur geringfügige Übernahme bzw. Umsetzung von Wissen, Standards, Dienstleitungen

Kein oder nur geringfügiger Wandel des Verhaltens bzw. keine oder nur geringfügige Nutzung des Angebots durch die Zielgruppe

Kein oder nur geringer Beitrag zur Problemlösung

Wir gehen davon aus, dass es eine Wirkungskette vom Output der transnationalen Partnerschaft, über den Output der nationalen Partner und den möglichen Outcome dieser Aktivitäten hin zum Impact gibt. Dieser Wirkungszusammenhang ist aber keineswegs zwingend und kein linearer Prozess, d.h. Output kann, muss aber keineswegs zu Outcome führen. Außerdem gehen wir davon aus, dass in den verschiedenen Phasen jeweils andere Erfolgsfaktoren relevant sind (Beisheim et al. 2008). Anders als in der ersten Phase, werden wir uns in der zweiten Förderungsphase von D1 auf Output und Outcome auf der nationalen und lokalen Ebene der Projektimplementierung konzentrieren.

Abbildung 1: Wirkungskette

SFB-Phase I

Output 1 (transnationale Ebene)

ò

SFB-Phase II

Output 2 (sub/nationale Ebene)

ò

Outcome (sub/nationale Ebene)

ò

SFB-Phase II+III

Impact (incl. nicht-intend. Effekte)

Die Messung des Impact ist anerkanntermaßen komplex und schwierig. Wir wollen dennoch alle zugänglichen Daten zu Impact-Indikatoren erheben, v.a. zu nicht-intendierten Effekten.[4]

Zur Bestimmung des Effektivitätsgrades, also der Ausprägung unserer abhängigen Variable, müssen wir einen Referenzpunkt festlegen (Underdal 2004: 35f). Zwei Ansatzpunkte bieten sich an: Die selbst gesteckten Ziele der Partnerschaft, d.h. die in den PPP-Dokumenten benannten Zielvorgaben, und die politisch gesetzten Ziele, d.h. der Beitrag zur Verwirklichung der Millennium Development Goals (UN Millennium Project 2005), denen sich alle untersuchten Entwicklungspartnerschaften verpflichtet fühlen. Im Abgleich mit diesen Zielen versuchen wir, über beobachtete Veränderungen über Zeit bzw. mittels eines kontrafaktischen Szenarios, eine Einschätzung der Effektivität zu erzielen.

Ein zusätzliches zu beobachtendes Bewertungskriterium wird sein, ob die Governance-Leistungen als privates Gut, Clubgut oder öffentliches Gut erbracht werden, also u.a. wie exklusiv bzw. inklusiv der Adressatenkreis ist (à SFB-Ziel 5: Von der Produktion privater Güter zu Governance).

Operationalisierung der erklärenden Variablen

Neben der bisher betrachteten transnationalen Arbeitsebene der PPP, kommt jetzt die lokale Ebene hinzu. Hier betrachten wir einerseits Eigenheiten der (1) Projekte selbst und andererseits der (2) Räume begrenzter Staatlichkeit, in der die Projekte vor Ort durchgeführt werden. Dabei greifen wir Erkenntnisse aus drei Literatursträngen auf: Erstens nutzen wir weiterhin die Literatur zur Effektivität internationaler Institutionen (Young 1999; Breitmeier et al. 2006; Underdal 2004), u.a. des sog. Management-Ansatzes in der Compliance-Forschung (Chayes 1995; Chayes et al. 1998; vgl. auch König 2008). Zweitens wollen wir auch die Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Diskussion zur Effektivität der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) aufgreifen[5] und die Ergebnisse von Evaluierungsstudien zu klassischen EZ-Projekten bzw. zur Effektivität von Durchführungsorganisationen der EZ nutzen.[6] In dieser Literatur hat das sog. „results-based management“ oder „managing for results“ Konjunktur (vgl. „Paris Declaration on Aid Effectiveness“, OECD 2005). Schließlich hat sich drittens mittlerweile eine wissenschaftliche Literatur zu transnationalen Partnerschaften entwickelt,[7] die durch praxisorientierte Evaluierungen ergänzt wird.[8] Allerdings gibt es bislang nur wenige Beiträge, welche PPP-Projekte in Räumen begrenzter Staatlichkeit analysieren.[9]

Erklärende Variablen mit Bezug auf das PPP-Projekt selbst

In der ersten Phase haben sich die unabhängigen Variablen „Institutionalisierungsgrad“, „Prozessmanagement“ und „kapazitätsstärkende Maßnahmen“ als besonders erklärungskräftig erwiesen. Wir greifen dies auf, konzipieren die Variablen teilweise neu und erweitern die Analyse um Elemente, die für die Untersuchung der PPP-Projekte auf der nationalen bzw. subnationalen Ebene wichtig werden. Insgesamt wollen wir die Relevanz von fünf Faktoren für die Effektivität der PPP-Projekte untersuchen.

Tabelle 2: Erklärende Variablen mit Bezug auf das PPP-Projekt

 

stark

schwach

(1) Kapazitäten der PPP-Sekretariate und -Partner

professionelles, unabhängiges Sekretariat

sehr gute Ressourcenausstattung

kein oder sehr kleines Sekretariat, abhängig von anderer Organisation

schlechte Ressourcenausstattung

(2) Kommunikations- und Entscheidungsmanagement im Mehrebenen-Kontext

exzellente Infrastruktur für Zwei-Wege-Kommunikation

gut ausgebildete kommunikative Brücken an den Schnittstellen

präzise Verfahrensregeln

Absprachen mit anderen Projektträgern und externen Stakeholdern

institutionalisiertes Konflikt-Manage­ment

schlechte Infrastruktur für meist einseitige Kommunikation

kommunikative Brüche an den Schnittstellen

Entscheidungsfindung meist ad-hoc

keine Absprachen mit anderen Projektträgern und externen Stakeholdern

kein Konflikt-Management

(3) Projektentwicklung und -implementierung

institutionalisierter partizipativer zwei-Wege-Prozess des „customizing“, „alignment“ mit und Einbezug der Interessen und Fähigkeiten der Partner

Change Management: Systematische Integration von Evaluierungsergebnissen und flexible Weiterentwicklung von Projektdesigns

Top-down Umsetzung und one-size-fits-all Design

keine oder folgenlose Evaluierungen, starres Festhalten an Plänen und Prozeduren

(4) Monitoring und Ressourcen- Management

externes, kontinuierliches Monitoring

Anreizsysteme

Nur internes Monitoring

kein systematisches Anreizsystem

(5) Kapazitätsstärkende Maßnahmen

mittel- und langfristige Bereitstellung von Unterstützung im Bereich Personalentwicklung

Organisationsentwicklung, z.B. Stärkung lokaler Führungsfähigkeiten

Institutionelle Reformen, z.B. Ausbau rechtlicher Rahmenbedingungen

nur kurzfristige und projektbezogene Aktivitäten, etwa Trainingsmaterialien und Dokumentation von „best practices“

Stärkung unabhängiger PIUs und dadurch Verhinderung lokaler, öffentlicher Kapazität

Ad 1: Kapazitäten der PPP-Sekretariate und Partner

Bereits in der ersten Phase haben wir auf der transnationalen Ebene die Stellung und die Professionalität des PPP-Sekretariats untersucht. Wir betrachten dies nun auch auf regionaler bzw. lokaler Ebene. Kapazität definieren wir als materielle und nicht-materielle Ressourcen (à SFB-Ziel 6: Materielle Ressourcen und Governance), die Grundlage der Leistungsfähigkeit von Akteuren und Institutionen sind.[10] Beispielsweise variieren bei den ausgewählten Partnerschaften die Größe der Sekretariate und die Professionalität der Mitarbeiter. Darüber hinaus erscheinen uns auch jene Kapazitäten für die Effektivität der Projekte relevant, die die internationalen oder nicht-staatlichen Partner einbringen. Hierbei berücksichtigen wir, dass die Größe des Projektbudgets den Projekterfolg beeinflussen kann. Auf lokaler Ebene kommen nun ebenfalls die Kapazitäten jener Akteure hinzu, die die Projekte vor Ort implementieren und damit Aufgaben einer Projektdurchführungs-organisation übernehmen (zu diesen siehe z.B. Asian Development Bank 2005). Das können transnationale Organisationen wie UNICEF oder World Vision sein, aber auch nationale Verbände oder lokale NGOs.

Ad 2: Kommunikations- und Entscheidungsmanagement im Mehrebenen-Kontext

In der zweiten Phase führen wir das bislang auf transnationaler Ebene untersuchte Kommunikationsmanagement sowie die über den Institutionalisierungsgrad erfasste Präzision der Regeln zusammen. Transnationale Partnerschaften sind als Governance-Arrangements über mehrere Ebenen hinweg tätig und werden dementsprechend auch mit typischen Mehrebenen-Problemen konfrontiert (vgl. Beisheim et al. 2009; Holzinger 2008). Beispielsweise verursacht die ebenenübergreifende Kommunikation hohe Transaktionskosten. Außerdem müssen die typischen Probleme der Beziehung von Prinzipalen und Agenten vermieden werden. Kommunikation und Entscheidungsabläufe müssen daher verschiedenen Kriterien gerecht werden. Erstens sollte die Kommunikation über die Ebenen hinweg in beide Richtungen verlaufen, also nicht nur von der transnationalen auf die lokale Ebene, sondern auch andersherum. Um mit den o.g. Mehrebenen-Problemen umzugehen, muss zudem ein gutes Schnittstellen-Management (Messner 2000: 121) zwischen der transnationalen, nationalen und lokalen Ebene gewährleistet sein. Ein Schlüsselfaktor, um Probleme innerhalb der Beziehung zwischen Prinzipalen und Agenten zu vermeiden, die ihrerseits die Effektivität von Partnerschaften behindern, sind präzise Regeln, die auf mehreren Ebenen kommuniziert werden. Als weitere Erfolgsbedingung gilt schließlich eine gelungene Abstimmung mit externen Akteuren, zum einen mit anderen Projektträgern (Stichworte Harmonisierung und Geberkoordination, OECD 2005), zum anderen mit Anspruchsberechtigten („stakeholder“), die keine Partner sind (Freeman 1984; Friedman/Miles 2006). Zweitens wollen wir untersuchen, wie wichtig ein institutionalisiertes Konfliktmanagement der PPP ist (vgl. Brinkerhoff 2002). Besonders angesichts kultureller Unterschiede, ist die Kommunikation mit vielen Akteuren auf unterschiedlichen Ebenen potentiell konfliktbeladen. Daher gehen wir davon aus, dass, im Falle von Konflikten, eine entsprechend moderierte Kommunikation wichtig für die Akzeptanz der geforderten Verhaltensänderungen und damit für die freiwillige Regeleinhaltung (Outcome) ist.[11]

Ad 3: Projektentwicklung und -implementierung

Bei den vier untersuchten transnationalen PPP ist die Art der Entwicklung und Implementierung der Projekte unterschiedlich ausgeprägt. Beispielsweise werden einige der Projekte auf transnationaler Ebene zusammen mit den sub-/nationalen Partnern entwickelt (WSUP). In anderen Fällen stellen Partner oder Regierungen einen Antrag auf Finanzierung eines von ihnen entwickelten und durchzuführenden Projektes an die transnationale PPP (GAVI, GAIN, REEEP). Wir greifen hinsichtlich des Projektdesigns verschiedene in der Literatur vertretene Thesen auf.

Erstens untersuchen wir, ob es einen Unterschied macht, dass Projekte entweder einem top-down Design folgen oder aber, hinsichtlich der Partizipationsmöglichkeiten, lokal differenziert und den Gegebenheiten vor Ort angepasst werden (vgl. z.B. Manor 2007: 7; Compagnon 2008: 8; Andanova/Levy 2003: 23f). Dieser Unterschied wird bereits seit den 1980er Jahren in verschiedenen Literatursträngen über bi- und multilaterale EZ-Projekte hervorgehoben und in seiner Bedeutung diskutiert (Fuhr 1996; Marcussen 1996; World Bank Independent Evaluation Group 2006; Ridell 2007: 259-310; Bartsch/Kohlmorgen 2007). In diesem Kontext sind die Ergebnisse der Literatur zum sog. „Diversity Management“ – bislang v.a. bezogen auf Unternehmen – interessant, nach denen es für eine Kooperation vorteilhaft ist, wenn die Verschiedenheit und damit die unterschiedlichen Fähigkeiten der diversen Partner berücksichtigt und genutzt werden (Cox 1993; Krell et al. 2007). Zudem werden wir untersuchen, ob Gender-Aspekte bei der Projektentwicklung und -implementierung berücksichtigt werden, damit relevanten Akteurinnen gezielt angesprochen werden können.

Zweitens war bei unseren bisherigen Untersuchungen auffällig, dass sich viele Partnerschaften in den ersten Jahren stark wandeln. Nur jene PPP sind effektiv, die es schaffen, sich als Antwort auf neu auftretende Herausforderungen oder nach negativen Evaluierungsergebnissen zu reorganisieren. Daher wollen wir in der zweiten Phase gezielt die Bedeutung eines „Change Management“ bei der Projektentwicklung und –implementierung untersuchen. Der Begriff wurde v.a. in der Literatur aus der Wirtschaftswissenschaft geprägt (z.B. Doppler/Lauterburg 2005). In der entwicklungspolitischen Literatur werden flexible Lernprozesse bei der Projektentwicklung und -implementierung (v.a. nach Evaluierungen) als entscheidend für den Erfolg von Projekten in Räumen begrenzter Staatlichkeit angesehen (Greeley 2007: 53f.). Organisatorische Veränderungen können sowohl zweckrationalen Effizienzgesichtspunkten folgen als auch dem Bestreben, die soziale Legitimation und damit Stabilität der Organisation zu verbessern. Dabei können Pfadabhängigkeiten ebenso eine Rolle spielen wie krisenhafte Momente, so beispielsweise nach negativen Evaluierungen. Inwiefern diese Faktoren für die Effektivität der PPP-Projekte relevant sind, soll in den Fallstudien untersucht werden.

Ad 4: Monitoring und Ressourcen-Management

In der ersten Projektphase hat sich gezeigt, dass Überwachungsverfahren für die Effektivität von Service-Partnerschaften bedeutsam sind (Campe/Beisheim 2009). Jetzt geht es darum, inwiefern Monitoring und Ressourcen-Management auch für die Effektivität der Partnerschafts-Projekte vor Ort von Bedeutung sind. In der erwähnten Erklärung von Paris über die Wirksamkeit der Entwicklungshilfe, wird u.a. als Indikator für das ergebnisorientierte Management von EZ-Projekten ein transparentes und anhand von Indikatoren überprüfbares „performance assessment“ genannt. Wir wollen untersuchen, inwiefern dies auch für die Projektarbeit von PPP gilt. Da es ein anreizbasierter Ansatz in der Entwicklungsfinanzierung ist, gilt in der Literatur bei den bislang untersuchten Gesundheitspartnerschaften (z.B. GAVI) das sog. „performance-based funding“ (Lele et al. 2005) als erfolgsversprechend, bei dem Mittel an die Erfüllung von Projektfortschritten gebunden sind. Ob Unterschiede im Ressourcen-Management dazu führen, dass PPP-Projekte bessere oder schlechtere Ergebnisse erzielen, soll in den vergleichenden Fallstudien überprüft werden.

Ad 5: Kapazitätsstärkende Maßnahmen

Der neue Bezug auf die Länderebene legt darüber hinaus einen Fokus auf lokale Kapazitäten nahe. Neben den Kapazitäten der transnationalen Sekretariate und Partnerorganisationen, erachten wir Maßnahmen des lokalen „Capacity Development“ vor Ort als wichtig. Hierunter verstehen wir einen von außen unterstützten Prozess, innerhalb dessen verschiedene lokale Akteure ihre bestehenden Fähigkeiten erweitern, um Entwicklungsziele und –strategien zu identifizieren und diese nachhaltig zu erreichen (vgl. Lusthaus et al. 1999; OECD 2006). Hierzu zählen solch unterschiedliche Aufgaben wie der Aufbau von administrativen Fähigkeiten und technischer Expertise (Papadimitriou/Phinnemore 2004), die Fähigkeit zur Einbindung gesellschaftlicher Gruppen (Ebeling et al. 2007) oder die Förderung von Sozialkapital (Morgan 1998). Kapazitätsstärkende Maßnahmen zielen ab auf Regierungsstellen, NGOs und zivilgesellschaftliche Gruppen, Parteien, Gewerkschaften und Verbände, den Privatsektor, Wissenschaftsvertreter und die Öffentlichkeit (VanDeveer/Dabelko 2001). Entsprechende Stärkungen institutioneller und persönlicher Fähigkeiten stehen spätestens seit den 1990er Jahren im Zentrum der EZ-Debatte. Denn die klassischen Projekte der Technischen Hilfe gelten aus heutiger Sicht als ineffektiv und ineffizient, da sie angebotsorientiert waren, vertikal steuerten und nicht zu institutioneller Expertise führten (Berg 1993; Cohen 1993: 5; Lusthaus et al. 1999: 2). In der Literatur besteht weitgehend Konsens darüber, dass Entwicklungszusammenarbeit nur effektiv sein kann, wenn die Empfängerländer über entsprechende Fähigkeiten verfügen (UNDP 2006: 11; BMZ 2008). Im Zentrum der Forschung zur Kapazitätsentwicklung stehen drei sich wechselseitig beeinflussende Dimensionen: Personalentwicklung, Organisationsentwicklung und institutionelle Reformen (Grindle 1997).

Maßnahmen zur Personalentwicklung wären u.a. Trainingsprogramme und Verbesserungen der Arbeitsbedingungen. Maßnahmen der Organisationsentwicklung richten sich an Kommunikationsstrukturen, Managementstrukturen und Organisationskultur. Bezüglich institutioneller Reformen sind die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen zentral. Transnationale Partnerschaften sind externe Partner, die einen vorwiegend endogenen Prozess des Kapazitätsaufbaus unterstützen können (vgl. Ebeling et al. 2007: 308). In den von uns untersuchten Politikfeldern (nachhaltige Energie- und Wasserversorgung, Gesundheitsvorsorge) beobachten wir eine unterschiedliche Kombination und Akzentsetzung bei den o.g. Dimensionen.

Die Ergebnisse der ersten Phase legen bereits nahe, dass die untersuchten Variablen (Institutionalisierungsgrad, Prozessmanagement und Capacity Development) nicht unabhängig voneinander sind, sondern Interaktionseffekte vorliegen. Auch die hier aufgelisteten fünf Faktoren unterliegen vermutlich solchen Interaktionseffekten. Daher ist die Prozessanalyse ausgewählter Fälle, eine angemessene Untersuchungsmethode, um kausale Zusammenhänge genauer analysieren zu können (Checkel 2008).

Erklärende Variablen mit Bezug auf die projektrelevanten Räume begrenzter Staatlichkeit

Wir gehen davon aus, dass auch die Kapazitäten in den Projekträumen den Erfolg der PPP-Projekte beeinflussen. Es geht hier vorwiegend um das Ausmaß bzw. verschiedene Konfigurationen begrenzter Staatlichkeit (à SFB-Rahmenantrag, à SFB-Ziel 2: Staatlichkeit als Kontextbedingung von Governance). Wir wollen PPP-Aktivitäten in Räumen untersuchen, in denen vor Projektbeginn unterschiedlich starke Einschränkungen des Gewaltmonopols einerseits, und der Regeldurchsetzungsfähigkeit andererseits bestehen. Für die Kapazitätsdefizite nationaler und subnationaler staatlicher Institutionen betrachten wir in den einzelnen Dimensionen jeweils folgende Faktoren:[12]

Tabelle 3: Operationalisierung von Kapazitäten im projektrelevanten Raum

Gewaltmonopol

Sicherheitslage im Projektraum

Regeldurchsetzungsfähigkeit

Stärke von Institutionen

Ressourcen

Abwesenheit von Korruption

Infrastruktur

Rechtssicherheit

Relevanter Bezugspunkt sind die lokalen Gegebenheiten. Während einzelne Partnerschaften landesweite Projekte durchführen (z.B. GAIN), sind andere in einer Stadt oder Provinz aktiv (z.B. WSUP). Aber auch für lokale Räume sind die Zustände auf der bundesstaatlichen oder zentralstaatlichen Ebene relevant und ggf. wiederum von Vorgaben internationaler Organisationen abhängig (im Sinne von Mehrebenen-Abhängigkeiten). Für die untersuchten Räume sollen diese Gegebenheiten im Zuge der Datenerhebung vor Ort spezifiziert werden und zwar bezüglich der räumlichen Reichweite (territorial), der betroffenen Sektoren sowie der betroffenen sozialen Gruppen – all das mit Blick auf Veränderungen über Zeit (vgl. die Typologie im SFB-Rahmenantrag). Wir erwarten somit nochmals größere Varianz. Das Gewaltmonopol ist in den meisten Ländern regional unterschiedlich stark gegeben (Indien, Uganda) und auch die Stärke der Verwaltung und die Qualität der Infrastruktur variiert erheblich (beispielsweise zwischen Stadt und Land und zwischen Bundesstaaten oder Distrikten).

Gewaltmonopol

Analog zur Typologie der Konfigurationen begrenzter Staatlichkeit, unterscheiden wir Projekträume mit derzeit stabiler Sicherheitslage und somit weitgehend vorhandenem Gewaltmonopol in der territorialen, sozialen und zeitlichen Dimension (Bangladesch), Staaten, bei denen das Gewaltmonopol kontinuierlich in Teilen des Staatsgebiets nicht besteht (Uganda im Norden, Indien im Nordosten [u.a. Manipur, in Jammu und Kashmir] sowie im östlichen Kernindien) Staaten, die zeitweise von politischer Instabilität gekennzeichnet sind (Kenia ab 2007) und Staaten, in denen kontinuierlich kein Gewaltmonopol im gesamten Territorium besteht (Somalia). Im Falle Ugandas ist das Gewaltmonopol im Norden (Gulu, Kitgum, Pader) trotz vieler Verbesserungen seit 2006 weiterhin nicht vollständig gesichert. Hier verübt die „Lord’s Resistance Army“ nach wie vor vom Sudan aus immer wieder brutale Übergriffe. Eine der von uns untersuchten Partnerschaften, GAVI, hat in Gulu u.a. Impfungen gegen Hirnhautentzündung (Meningitis) durchgeführt (The Government of Uganda 2007). In Indien geht, neben den terroristischen Bedrohungen (seit 2001), Gewalt von zahlreichen anderen nicht-staatlichen Akteuren aus: Dies sind maoistischen Gruppierungen („Naxaliten“) in Bihar und anderen Staaten im Kernland und militante Gruppierungen in Assam, Manipur und Nagaland. Auch der Sezessionskonflikt in Kaschmir ist weiterhin von blutigen Auseinandersetzungen geprägt. Im Falle Kenias sind mit den zurückliegenden Unruhen im Kontext der letzen Wahlen temporale Unterschiede zu berücksichtigen. Das wiederholte Ausbrechen von Gewalt zwischen den ethnischen Gruppen der Kikuyu und der Kalenjin weist zudem auf soziale Varianz hin. In Somalia beobachten wir das völlige Fehlen eines Gewaltmonopols in allen Dimensionen. Der seit 1991 andauernde Staatszerfall besteht angesichts extremer Kriminalität, bewaffneten Kämpfen und neuerdings Piraterie im Golf von Aden fort. Zwischen den faktisch unabhängigen Gebieten Somaliland und Puntland kommt es im Streit um die ressourcenreichen Gebiete Sool and Sanaag weiterhin zu Kampfhandlungen. Der Failed State Index für 2008 (Fund For Peace/Foreign Policy 2008) stuft Somalia entsprechend in der schlechtesten Stufe ein (10,0).

Regeldurchsetzungsfähigkeit

Die ausgewählten PPP-Projekte werden in Räumen durchgeführt, die mit Blick auf die Regeldurchsetzungsfähigkeit ebenfalls stark variieren. Wir können im Folgenden für die ausgewählten Hauptuntersuchungsländer Indien und Kenia sowie für die jeweils angrenzenden Länder Bangladesch, Uganda und Somalia, lediglich einige Aggregatdaten auf Länderebene benennen und entsprechende Varianz belegen. Es wird ein erster Arbeitsschritt sein, die regionale und sektorale Varianz der Regeldurchsetzungsfähigkeit für die untersuchten Projekträume zu spezifizieren. Beispielsweise werden in Indien die Vorgaben zur Dezentralisierung in den Bundesstaaten äußerst unterschiedlich umgesetzt (Singh 2007, vgl. auch Harriss 2006: 212f).

Obwohl die öffentlichen Dienstleistungen in allen Staaten hohe Defizite aufweisen, sind die nationalen Institutionen (etwa Gesundheitsministerium) in personeller, professioneller und institutioneller Hinsicht unterschiedlich schwach. Die „Country Policy and Institutional Assessments“ der Weltbank bewerten das Management des öffentlichen Sektors in Indien mit 3,7 von 6 maximal zu erreichenden Punkten, in Kenia mit 3,3 und in Uganda und Bangladesch mit 3,0 Punkten. Zu Somalia stehen keine entsprechenden Daten zur Verfügung. Wir gehen aber davon aus, dass die Managementleistung hier noch schwächer ist. Auch im Ranking des Fund for Peace („failed state index“) schneidet der öffentliche Sektor in Indien (mit einem Wert von 6,7) besser ab als der von Kenia und Bangladesch (7,4) sowie Uganda (7,8), während Somalia den schlechtesten Wert (10) erreicht.

Auch die Ressourcen, die im Land bzw. Raum für öffentliche Aufgaben zur Verfügung stehen, sind im Kontext der Regeldurchsetzungsfähigkeit des Staates relevant. Hier sind Daten zur Haushaltslage von Interesse; spezifische Daten für die Projekträume werden wir vor Ort recherchieren. Die Staatseinkünfte belaufen sich derzeit auf 22,4% des GDP in Indien, 20,9% in Kenia, 13,4% in Uganda, 10,6% in Bangladesch.[13] Dabei investieren die Staaten unterschiedlich stark in die Bereitstellung öffentlicher Güter. Im Jahr 2004 wurden in Bangladesch und Indien beispielsweise je 0,9% des GDP für die öffentliche Gesundheit ausgegeben, in Somalia 1,2, in Kenia 1,8% , in Uganda 2,5% (United Nations Development Programme 2007: 247-250).

Auch das Ausmaß an Korruption vor Ort ist von Bedeutung, weil es die Regeldurchsetzung unterminiert. Der Index zu Korruptionseinschätzungen von Transparency International zeigt für unsere fünf Länder ein hohes Maß an Korruption an: In Somalia sank der Wert von 2,1 (2005) auf 1,0 (2008). Das ist der schlechteste Wert im Index, so dass wir hier von außer Kraft gesetzten öffentlicher Institutionen und willkürlicher Regeldurchsetzung ausgehen müssen. Auch Bangladesch (1,7-2,1), Kenia (2,1-2,2) und Uganda (2,5-2,8) hatten in den letzten Jahren (2005-2008) Werte am unteren Ende der Skala. Indien weist mit 3,3-3,5 Punkten (2006-2008) zwar ein geringeres, jedoch immer noch hohes Maß an Machtmissbrauch in Verwaltungen auf (Corruption Perception Index). Die Korruption ist sektoral unterschiedlich stark ausgeprägt; in Bangladesch ist beispielsweise der Gesundheitssektor stark von Korruption betroffen (Transparency International Bangladesh 2005: 1).

Daten des Human Development Reports (United Nations Development Programme 2007: 276) zur Infrastruktur (etwa Elektrifizierungsraten und Telefonanschlüsse) sowie die Worldwide Governance Indicators der Weltbank zur Rechtssicherheit (World Bank 2008) weisen ebenfalls zwischen-staatliche Varianz auf. Wir können somit davon ausgehen, dass wir in den Projekträumen unterschiedliche Ausprägungen hinsichtlich der Fähigkeit zur Regeldurchsetzungsfähigkeit vorfinden werden.

Vergleichslogik

Wir können auf einen relativ großen Pool von mind. 200 Fällen zurückgreifen, mit denen wir die Relevanz der o. g. Variablen und die kausalen Prozesse, die sie verbinden, untersuchen wollen. Die ausgewählten Partnerschaften sind in Indien und Kenia mit Projekten aktiv. Da jedoch nicht alle vier transnationalen PPP in beiden Ländern Projekte durchführen, wollen wir Partnerschafts-Projekte in den Nachbarländern Bangladesch bzw. Uganda und Somalia ebenfalls berücksichtigen. Hierdurch erlangen wir zusätzliche Varianz bezüglich der lokalen Kapazitäten. Wir planen zwei Arten des paarweisen Vergleichs (vgl. Tab. 4):

Tabelle 4: Vergleichslogik (beispielhaft)

PPP-Projekt-Charakteristika

 

Raum-Charakteristika

stärker

schwächer

stärker

GAVI-Projekt in Somalia vs. in
Indien

GAVI- vs. GAIN-Projekt in Indien

GAIN-Projekt in Indien vs. in Uganda

schwächer

GAVI- vs. GAIN-Projekt in Uganda

Zum einen können wir Erklärungsfaktoren auf Ebene der Partnerschaftsprojekte selbst variieren, während wir die Eigenschaften des Raumes, in dem die Projekte durchgeführt werden, weitgehend konstant halten. Hierzu untersuchen wir verschiedene PPP-Projekte im gleichen Raum begrenzter Staatlichkeit (z.B. ein GAVI-Projekt im Vergleich mit einem GAIN-Projekt in Indien). Zum anderen können wir Projekte derselben Partnerschaft in verschiedenen Räumen untersuchen (z.B. GAVI-Projekte in Indien und Somalia oder WSUP-Projekte mit ähnlichem Design in verschiedenen städtischen Slums in Kenia). Über diesen Vergleich von ähnlichen PPP-Projekten in verschiedenen Projekträumen, erzielen wir Varianz hinsichtlich der Kapazität der sub-/nationalen Institutionen im Kontext begrenzter Staatlichkeit. Die endgültige Fallauswahl der zu untersuchenden Projekte wird auf Basis einer tiefer gehenden Prüfung in den ersten Monaten der zweiten Phase erfolgen.

Kausale Zusammenhänge

Ausgangspunkt unserer Untersuchungen sind zwar die Merkmale der Projekte und des Raums, in dem die Projekte durchgeführt werden. Betrachten wir jedoch die kausalen Zusammenhänge, die zur Effektivität führen, kommen auch die Akteure in den Blick. Besonders interessieren uns die kausalen Zusammenhänge zwischen institutionellen Faktoren einerseits und den Akteursinteressen und –ideen andererseits. Auch hierbei können wir auf Ergebnisse aus der ersten Phase zurückgreifen. Wir konnten zeigen, dass das Engagement und die Governance-Vorstellungen mächtiger Akteure wichtig für den Institutionalisierungsgrad und damit auch den Erfolg der transnationalen Partnerschaften sind. Bislang hatten wir dabei v.a. die Geber im Blick. Eine Service-PPP ist umso effektiver, je eher die Geber am Anfang bereit waren, materielle Ressourcen sowie Ideen und Know-how in die PPP zu investieren. Wir vermuten nun, dass die Einbindung relevanter lokaler Akteure unter Berücksichtigung ihrer Governance-Vorstellungen ebenfalls wichtig für den Projekterfolg ist. Beispielsweise konnte für den Wasserbereich empirisch gezeigt werden, dass Interaktionen mit lokalen Akteuren Governance-Prozesse entscheidend beeinflussen (Cleaver/Franks 2005; von Braunmühl 2005; Gupta 2007). Wir vermuten, dass es für den Projekterfolg förderlich ist, lokale Traditionen und institutionelle Praktiken mit den neu durch die transnationalen PPP propagierten Governance-Ansätzen so zu verbinden, dass deren selbstbestimmte Aneignung zu hoher Akzeptanz und Ownership führt (UNECA 2007: 18f, à SFB-Ziel 4: Aneignungs- und Abwehrprozesse in Räumen begrenzter Staatlichkeit). In der Entwicklungssoziologie bzw. ‑anthropologie sind derartige Aushandlungsprozesse zwischen transnationalen, nationalen und lokalen Akteuren mit ihren jeweiligen Interessen, Ideen und kulturellen Praktiken untersucht worden (Long 1989; Mosse 2005; Pfaff-Czarnecka 2005). Im Teilprojekt A2 Göhler hat sich De La Rosa (2008) mit den Bedingungen interkultureller Kommunikation auseinander gesetzt. Er unterscheidet eine monologisch-einseitige von einer dialogisch-aktiven Aneignung. An diese Überlegungen können wir anknüpfen und sehen hier eine erste kausale Verbindung zum PPP-Projektdesign, das partizipative Prozesse der Einbeziehung dieser Interessen und Ideen fördert oder nicht.

Zusammenfassend gehen wir davon aus, dass die genannten Faktoren auf Projekt- bzw. Raum-Ebene im Zusammenhang mit den Ideen und Interessen relevanter Akteure den Projekterfolg mitbestimmen. Entsprechend vermuten wir einen Kausalpfad von der transnationalen Ebene der Kooperation von Gebern und Experten zur lokalen Umsetzung unter Mitwirkung lokaler Partner und lokaler Betroffener.

Alternative Erklärungen

Generell ist darauf hinzuweisen, dass es natürlich noch weitere potentiell relevante Variablen gibt, die in der Entwicklungszusammenarbeit als „Risikovariablen“ gehandelt werden, so beispielsweise Bürgerkriege, Ernteausfälle und Hungersnöte oder Epidemien. Dass solche Ereignisse die erfolgreiche Durchführung von Projekten unmöglich machen können, werden wir berücksichtigen.

Wir vergleichen Projekte von Entwicklungspartnerschaften in verschiedenen Politikfeldern (Gesundheit, Wasser, Energie). Unser Vergleichsdesign ermöglicht, dass wir politikfeldspezifische Variablen kontrollieren. Beim Vergleich ähnlicher Partnerschafts-Projekte über verschiedene Räume hinweg, halten wir die Problemstruktur konstant – es werden beispielsweise nur Wasser-Projekte miteinander verglichen. Beim Vergleich verschiedener Projekte innerhalb eines Raumes erfassen wir relevante Politikfeldvariablen, da wir die variierenden Kapazitäten sektoraler Institutionen im Blick haben. Da wir uns auf Service-PPP konzentrieren, liegen außerdem jeweils ähnliche Kooperationsprobleme vor.

Methoden

Unser Forschungsdesign geht „x-zentriert“ vor (Ganghof 2005). Zwar interessieren wir uns für eine möglichst vollständige Erklärung der Varianz hinsichtlich der abhängigen Variable (y-zentriert), wir überprüfen jedoch im Wesentlichen die Erklärungskraft vorab ausgewählter Einflussfaktoren. Der oben benannte Fallpool ermöglicht es uns, entweder Projekte derselben Partnerschaft in unterschiedlichen Räumen, oder unterschiedliche Projekte im selben Raum (Land) miteinander zu vergleichen (Differenzmethode). Auch wenn wir nicht alle weiteren Variablen konstant halten können, nähern wir uns einem kontrollierten Fallvergleich zumindest an. In einem ersten Schritt wollen wir über einen Abgleich der Ausprägungen der Variablen zunächst Kovarianz zwischen abhängigen und unabhängigen Variablen feststellen (oder ausschließen; vgl. Blatter et al. 2007; 150f; George/Bennett 2005: 181-204). In einem zweiten Schritt sollen dann die Kausalmechanismen konkret bestimmt und (beispielsweise sequentielle) Interaktionseffekte, die wir insbesondere bei den Erklärungsfaktoren zum institutionellen Design erwarten, zwischen den verschiedenen Einflussfaktoren aufgedeckt werden.

Zur Bestimmung der Ausprägungen der Variablen für die Kongruenzanalyse stützen wir uns - wie in der ersten Phase des Projekts D1 - auf Evaluierungen, qualitative Inhaltsanalysen, quantitative Datensätze und Experteneinschätzungen. Für die Prozessanalyse nutzen wir Experteninterviews (vgl. Gläser/Laudel 2004). Neu hinzu kommt die Methode der teilnehmenden Beobachtung (vgl. Lamnek 2005: 239-311) durch die Teilnahme an Projektteam-Sitzungen und die Beobachtung der Arbeit in den lokalen Projekten. Durch die Einbeziehung unterschiedlicher Datenquellen, Methoden und theoretischer Blickwinkel und durch die Untersuchung von Projekten der gleichen Partnerschaft durch zwei Mitarbeiter/innen bemühen wir uns im Sinne der multiplen Triangulation (Flick 2004) um die Überwindung methodischer Beschränkungen und Verkürzungen.

Arbeitsprogramm und Zeitplan

Aufbauend auf den Materialen, Erkenntnissen und Erfahrungen aus der laufenden Projektphase, soll im ersten Jahr (2010) die Feldforschung vorbereitet werden. Dazu müssen zunächst die Recherchen zum Stand der Projekte der ausgewählten vier Entwicklungspartnerschaften aktualisiert werden. Darüber hinaus werden wir Dossiers zu den Projekträumen anlegen. Auf dieser Basis sollen die per Prozessanalyse zu untersuchenden Fallpaare ausgewählt werden. Parallel wird ein detailliertes Analyseraster erarbeitet, das dann auch die Leitfäden für Interviews anleitet.

Im ersten Jahr bedarf es, neben der inhaltlichen, auch einer intensiven organisatorischen Vorbereitung der Forschungsaufenthalte in den ausgewählten Ländern. Unsere Forschung kann vor allem dann erfolgreich betrieben werden, wenn wir erstens die Unterstützung der entsprechenden PPP-Initiativen sichern, d.h. diese uns Zugang zu ihren Projekten vor Ort vermitteln, und wenn wir zweitens mit Forschungsinstituten vor Ort kooperieren. Beides wurde bereits vor Antragstellung ausgelotet, muss aber 2010 aktualisiert und verfestigt werden. In Indien kooperiert das Büro der Freien Universität in Neu-Dehli mit TERI (The Energy and Resources Institute) und den ortsansässigen Universitäten. In Kenia ist das US-AID und GTZ-finanzierte Centre for Governance and Development (CGD), das einen Fokus auf Governance-Fragen hat und darüber hinaus auch zur Umwelt-, Gesundheits- und Ernährungsthematik arbeitet, ein möglicher Kooperationspartner. Hinzu kommt das Institute for Development Studies der University of Nairobi. Generell werden die Büros von Weltbank, GTZ und UNDP vor Ort kontaktiert. Erste Kontakte sind bereits etabliert.

Darüber hinaus werden wir mit weiteren wissenschaftlichen Kooperationspartnern zusammenarbeiten. Hier wurden bereits Experten folgender Institutionen angesprochen:

·        Deutsches Institut für Entwicklungspolitik, Bonn

·        Gesellschaft für technische Zusammenarbeit, Berlin/Eschborn

·        GIGA, Hamburg

·        Gesellschaft Global Policy Studies, Berlin

·        Global Public Policy Institute, Berlin

·        Institut für Entwicklung und Frieden, Duisburg

·        Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin.

Nach Fertigstellung des Analyserasters und entsprechender Interviewleitfäden, werden die beiden wissenschaftlichen Mitarbeiter/innen erste Gespräche in den PPP-Sekretariaten führen und relevante Partnerorganisationen und Stakeholder in den Projekträumen identifizieren und kontaktieren. Dies wird zeitlich sehr aufwändig sein, da es sich in einigen Fällen um sehr viele Projektpartner handelt.

Im zweiten und dritten Jahr sind dann die Hauptreisen für die Feldforschung durchzuführen. Dabei streben wir zwei Beobachtungszeitpunkte an: Für Mitte 2011 und erneut Anfang 2012 sind jeweils acht Wochen Feldforschung vorgesehen. Vor Ort sollen die Projekte besucht werden sowie Interviews mit möglichst vielen beteiligten Partnern und Stakeholdern geführt werden. Zudem sollen Informationen zum institutionellen Umfeld der Projekte erhoben werden, also zu den Kapazitäten der sub-/nationalen staatlichen Institutionen.

Im dritten Jahr erfolgt die vergleichende Auswertung der Materialien. Im vierten Jahr sollen Nacherhebungen abgeschlossen, die Ergebnisse des Teilprojekts im Rahmen eines internationalen Workshops diskutiert und Publikationsprojekte fertig gestellt werden.

In der dritten Förderperiode des SFB wird zu überprüfen sein, ob und inwieweit sich die Ergebnisse der transnationalen Partnerschaften, die auf nicht-hierarchischen Steuerungsformen beruhen, systematisch von Ergebnissen anderer Governance-Formen unterscheiden. Sind sie, beispielsweise im Rahmen bi- oder multilateraler Entwicklungs-Projekte, mehr oder weniger effektiv als konventionelle und weitgehend auf staatliche Akteure begrenzte Steuerungsformen? Sind sie mehr oder weniger effektiv als rein private Lösungen, die auf Basis der Selbstorganisationsfähigkeit privater Akteure angestrebt wurden? Außerdem ist in Kooperation mit den anderen SFB-Teilprojekten zu klären, welche mittel- und langfristigen Auswirkungen PPP-Aktivitäten auf gesamtgesellschaftliche Entwicklungen haben (Impact). Etablieren sie sich als Governance-Akteure in den Räumen begrenzter Staatlichkeit oder übernehmen Staat, Markt oder andere Akteure (oder auch niemand) ihre Governance-Leistungen nach Ablauf der Projektfristen?

Stellung innerhalb des Sonderforschungsbereichs

Das Teilprojekt bezieht sich direkt auf die übergreifende zentrale Fragestellung des SFB: Unter welchen Bedingungen sind transnationale Partnerschaftsprojekte als ’neue’ Formen des Regierens in der Lage, Kollektivgüter in Räumen begrenzter Staatlichkeit effektiv und legitim bereitzustellen, und welche Probleme sind dabei zu bewältigen? Da es sich schwerpunktmäßig mit der Erbringung materieller Kollektivgüter beschäftigt, gehört das  Projekt zum Projektbereich D „Wohlfahrt und Umwelt“. Querbezüge bestehen insbesondere zu den Teilprojekten D2 Börzel und D3/T1 Fuhr/Lederer. Ebenso wie wir, untersuchen diese Projekte ausgewählte Formen staatlicher und nicht-staatlicher Kooperation bei der Erbringung von Governance-Leistungen unter den spezifischen Bedingungen in Räumen begrenzter Staatlichkeit. Das Teilprojekt D2 Börzel fragt nach der Begrenztheit und Gebundenheit von Staatlichkeit als Bedingung für die Beteiligung von Unternehmen an Governance im Bergbausektor. Das Teilprojekt D3/T1 Fuhr/Lederer begleitet Projekte im Bereich Klima- und Waldpolitik und untersucht dabei ebenfalls die Bedeutung nationaler und subnationaler staatlicher Kapazitäten. Das Teilprojekt B6 Harders wählt eine mikropolitische Methodik, um die Bedeutung von Dezentralisierungsprozessen für lokale Governance-Akteure und -Institutionen zu untersuchen (u.a. auch im Bereich Wasserversorgung). Auf diese Akteure und Institutionen treffen transnationale Akteure, wenn sie im Rahmen der von uns untersuchten Partnerschaftsprojekte in Räumen begrenzter Staatlichkeit aktiv werden. Von einer Zusammenarbeit mit den genannten Teilprojekten versprechen wir uns Erkenntnisse über die Bedeutung der Bedingungen in den untersuchten Projekträumen sowie über die Aneignungs- bzw. Abwehrreaktionen betroffener Akteure (à SFB-Ziel 2: Staatlichkeit als Kontextbedingung von Governance sowie à SFB-Ziel 4: Aneignungs- und Abwehrprozesse in Räumen begrenzter Staatlichkeit).

Auch die historischen Teilprojekte C5 Rinke, C4 Lehmkuhl/Finzsch und D5 Leutner, das politikwissenschaftlich/ethnologisch arbeitende Projekt C1 Zürcher und das Teilprojekt D7 Lütz untersuchen potentiell konfliktträchtige Aneignungs-/Abwehrprozesse im Kontext der Erbringung von Governance-Leistungen durch transnationale (nicht)staatliche Akteure – ein Austausch hat sich hier bereits in der ersten Phase als fruchtbar erwiesen und wird fortgesetzt. Das Projekt B8 Rudolf schließlich analysiert, inwiefern die von uns untersuchten Public Private Partnerships völkerrechtskonform sind – hier arbeiten wir gerne zu. Regional befassen sich die Teilprojekte C2 Chojnacki, C8 Krieger, D2 Börzel, D3/T1 Fuhr/Lederer und D7 Lütz mit ähnlichen Räumen begrenzter Staatlichkeit wie wir – ein inhaltlicher und organisatorischer Austausch, letzteres v.a. vor und nach den Forschungsreisen, ist daher im Rahmen der Querschnittsarbeitsgruppe „Räume“ sinnvoll.

Wir erwarten von den unterschiedlichen theoretischen, empirischen und methodischen Herangehensweisen der o. g. Teilprojekte im SFB Synergie-Effekte. Die Querschnittsgruppe „Governance“ und die Treffen im Projektbereich D bieten erfahrungsgemäß eine gute Plattform für den dazu nötigen inhaltlichen Austausch.


[1]     Unter einer transnationalen PPP verstehen wir institutionalisierte grenzüberschreitende Interaktionen staatlicher und nichtstaatlicher Akteure (vor allem Wirtschaftsunternehmen und NGOs), die auf die Bereitstellung kollektiver Güter abzielt (vgl. Schäferhoff et al. 2009). Wir fokussieren auf transnationale PPP, die einen Beitrag zur Erreichung von mindestens einem der Millennium Entwicklungsziele in Räumen begrenzter Staatlichkeit leisten wollen.

[2]     Insofern folgen wir Grundannahmen des akteurszentrierten Institutionalismus (Mayntz/Scharpf 1995); siehe auch unter 3.4.2 zu kausalen Zusammenhängen. Wie in der ersten Phase gehen wir davon aus, dass sowohl Nutzen-Kalkulationen (im Sinne der rationalistischen Variante neo-institutionalistischer Ansätze) als auch Normen und kulturelle Prägungen (im Sinne der soziologischen Variante) eine Rolle spielen.

[3]     Ein Beispiel: Die Finanzierung von Impfstoffen durch die GAVI Alliance wäre Output 1 (in der entwicklungspolitischen Literatur auch Input genannt), die angebotenen Impfungen sind Output 2. Outcome wird über die Nutzung des Angebots durch die Zielgruppe und deren verändertes Verhalten gemessen, z.B. den Immunitätsstatus. Impact verweist auf die breiteren Effekte, wie einer verbesserten Gesundheitslage der Bevölkerung, z.B. gesunkene Prävalenzraten, aber auch auf nicht-intendierte negative Effekte, wie z.B. Verzerrungen im Budget des Gesundheitssektors.

[4]     Beispielsweise kann die Belieferung mit Trinkwasser im Rahmen von Projekt-Partnerschaften dazu führen, dass lokale private Wasserhändler ihr Einkommen verlieren. Ebenso wird befürchtet, dass das Schaffen paralleler Implementierungseinheiten im Privatsektor oder in PPP die staatliche Verwaltung weiter schwächt bzw. Capacity Development behindert (Asian Development Bank 2005).

[5]     Jakobeit/Tetzlaff 2005; Manor 2007; Nuscheler 2008; OECD 2005; OECD 2007.

[6]     Asian Development Bank 2005; Cassen 1994; Stokke 1996; Israel 1987; Collier 2007; OECD 2009; World Bank 2005.

[7]     Siehe hierzu den Literaturbericht des Teilprojekts von Schäferhoff et al. (2009) und folgende einschlägige Studien: Andanova (2006); Austin (2000); Bäckstrand (2006b); Bäckstrand (2006a); Bailes (2004); Bitzera et al. (2008); Börzel/Risse (2005); Brühl (2007); Bull/McNeill (2007); Dingwerth (2007); Glasbergen et al. (2007); Heap (2000); Huckel et al. (2007); Vaillancourt Rosenau (2000); Witte et al. (2003); Van Huijstee et al. (2007); Wolf (2006); Wolf (2008).

[8]     Broadwater/Kaul 2005; Nelson 2002; Hamm 2004, Martens 2007, Utting/Zammit 2006; Witte et al. 2003.

[9]     Brinkerhoff 2002; Brunne 2008; Cohen/Wheeler1997; Compagnon 2008; Ramiah/Reich 2006.

[10]    Damit weichen wir von der bereits stark an ein Outcome gebundenen Definition in vielen Studien zu „capacity development“ ab, die unter „capacity” die Fähigkeit verstehen, Entwicklungsziele zu erreichen (z.B. OECD 2006; Morgan 1998: 2). Diese Definition würde uns ein Zirkularitätsproblem einhandeln.

[11]    Im Bereich der Konfliktforschung gibt es hierzu eine reichhaltige Literatur, vor allem zur Rolle von Mediation von (gewaltsam ausgetragenen) Konflikten (Bercovitch/Rubin 1992; Bercovitch/Schneider 2000; Feindt 2001; Fietkau et al. 1998; Holzinger 2000)aber auch zur Mediation in PPP-Prozessen (Hemmati et al. 2002; Meister/Helmchen 2003).

[12]    Mögliche Datenquellen sind der Bertelsmann Transformation Index (BTI), der State failure index, das Konfliktbarometer des Heidelberger Instituts für Internationale Konfliktforschung (HIIK 2008), Weltbank Statistiken, Haushaltsdaten der Länder/Kommunen, der Transparency International-Index, der Human Development Report oder die Worldwide Governance Indicators (WGI) der Weltbank.

[13]    Alle Angaben (für 2007) sind den Weltbank Statistiken „at a glance“ entnommen, die zu den einzelnen Ländern publiziert werden.