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Ergebnisse der ersten Förderphase

In der ersten Förderphase untersuchte das Teilprojekt die gestiegene Bedeutung nicht-staatlicher, insbesondere transnationaler Akteure, die in Kontexten, in denen ein staatliches Politikformulierungs- und Politikdurchsetzungsmonopol nicht besteht, klassische staatliche Funktionen übernehmen. Dabei galt es Abschied zu nehmen von der vertrauten Gleichung „Rechtsordnung = staatliche Rechtsordnung“ und sich der Erkenntnis zu öffnen, dass wir es mit einer Pluralität von staatlichen, halb-staatlichen und privaten Rechtserzeugungs- und Rechtsdurchsetzungsinstanzen zu tun haben. An die Stelle einer klar bestimmbaren Rechtsordnung als Summe der auf den Staat zurückführbaren Normen treten heterogene Regelungsstrukturen ohne allgemeinen Geltungsanspruch und mit unklarer Wirksamkeitserwartung. Hier sind Auswahlentscheidungen zwischen in Betracht kommenden Normproduzenten und Normprodukten im Sinne einer Regulatory Choice unausweichlich.

Für die Rule of Law bedeutet das: Die „Herrschaft des Rechts“ bzw. seiner funktionalen Äquivalente bildet einerseits eine strukturelle Voraussetzung für Governance-Prozesse und ist damit ein wesentlicher Bestandteil des normativen Kontextes von Governance. Die Rule of Law bildet andererseits ein substanzielles Programm, das – jenseits eines Kernbestands – kulturell bedingte Elemente enthält und das in einem globalen Diskurs ständig aktualisiert wird, wobei ein fortlaufender Transfer zwischen den verschiedenen Ordnungen erfolgt.

Für das Teilprojekt ergaben sich hieraus drei zentrale Fragen:

(1)   Erstens die Frage nach dem Recht: Welche Arten von Normen treten an die Stelle des staatlichen Gesetzes mit seiner rechtsstaatlichen Garantiefunktion, und sind bestimmte rechtsstaatliche Anforderungen an ihre Beschaffenheit und die Art und Weise ihrer Entstehung und Verbindlichkeit zu stellen?

(2)   Zweitens die Frage nach den Rechtsstaatlichkeitsakteuren: Welche Akteure können den Staat in Räumen begrenzter Staatlichkeit als monopolistischen Normproduzenten ersetzen, und sind bestimmte rechtsstaatliche Minimalanforderungen an sie und die Art und Weise der Normproduktion durch sie zu stellen, und an welchem Maßstab wären diese Anforderungen zu messen?

(3)   Drittens die Frage nach dem normativen Gehalt der Rule of Law: Welche universell gültigen normativen Forderungen lassen sich aus der allgemeinen Anerkennung des Rule of Law-Grundsatzes ziehen, und welche Bedeutung haben diese für die Konzeptualisierung von Regelungsstrukturen jenseits des Staates?

 Die Untersuchungen des Teilprojekts in der ersten Förderphase des SFB dienten der Erarbeitung einer Begrifflichkeit zur Beschreibung der zentralen Problemfelder des Teilprojekts, die die Beschreibung und Analyse nicht-staatlicher Normsetzung und -durchsetzung ermöglicht und den Beitrag einer wirkungs- und rechtsetzungsorientierten Rechtswissenschaft zur Erforschung von Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit vermaß. Gegenstand der Untersuchungen waren im Wesentlichen das internationale rechts- und politikwissenschaftliche Schrifttum zu Fragen von Rule of Law und Governance, die systematisch zum Verständnis von Rechtsetzung und -durchsetzung in Räumen begrenzter Staatlichkeit beitragen.

Konkret beschäftigte sich das Teilprojekt mit (1) der Bedeutung rechtlicher Prinzipien wie der Rule of Law aus der Perspektive von Governance, (2) der kulturellen Kontextualität der Rule of Law-Verständnisse in verschiedenen Rechtsordnungen, (3) der Rechtsetzung und Rechtsdurchsetzung in Kontexten jenseits des Staates und ihren Voraussetzungen, (4) dem Nebeneinander von staatlichen und nicht-staatlichen Streitbeilegungsinstitutionen, (5) den besonderen Problemen des Rechts in Kontexten jenseits des Staates, insbesondere seiner Legitimität, Sicherheit und Pluralität, und (6) der näheren Bestimmung des Beitrags der Rechtswissenschaft zur Erforschung von Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit.

Die Ergebnisse aus der ersten Förderphase lassen sich dementsprechend in folgenden sechs Punkten zusammenfassen:

Ad (1): Bei der Rule of Law handelt es sich um eine rechtliche Struktur und ein normatives Programm (Schuppert 2007). Sie umfasst ein Bündel von Prinzipien, die Regelungsstrukturen auf verschiedenen Ebenen (lokale, nationale, supranationale Kontexte) prägen und die Gegenstand ganz verschiedener Diskurse (juristischer, institutionenökonomischer, entwicklungspolitischer etc.) sind. Rechtliche Strukturen oder ihre funktionalen Äquivalente, die durch gesellschaftliche Praxis zu vielfältigen Institutionalisierungsformen führen, haben aus der Sicht der Governanceforschung eine dreifache Bedeutung (vgl. Kötter 2008):

  • zum einen stellen sie die strukturelle Grundlage für Governance-Prozesse dar, in deren Rahmen Governance-Leistungen erbracht werden,
  • zum anderen sind sie selbst Governance-Leistungen, die von den Akteuren zum Zwecke der Strukturbereitstellung erbracht werden, und
  • außerdem dienen sie als Maßstab für andere Governance-Leistungen und bestimmen deren Qualität mit, bspw. ist rechtsstaatlich gebundene Sicherheit von anderer Qualität als Sicherheit ohne Rule of Law.

Ad (2): Wie die Untersuchungen des Verständnisses von Rule of Law in verschiedenen nationalen Rechtsordnungen der Welt – für die jeweils Länderberichte erstellt wurden – gezeigt hat, ist von einer starken kulturellen Kontextualität des jeweiligen Rule of Law-Verständnisses auszugehen. Nicht zufällig ist in der etatistischen deutschen Tradition vom Rechts-„Staat“ die Rede (Kunig 1986; Schmidt-Aßmann 2003). In Rechtsordnungen anderer kultureller Prägung wie in England, Frankreich, Russland, Brasilien, Äthiopien, China, oder Libanon haben sich Rule of Law-Verständnisse ausgebildet, die zwar alle die Gesetzlichkeit staatlichen Handelns benennen, die im Einzelnen aber sehr unterschiedliche Anforderungen an Inhalt und Gestalt dieser Gesetze und an die Kontrolle der Gesetzmäßigkeit staatlichen Handelns stellen. Die Unterschiede sind bereits innerhalb Europas frappierend (Grote 1999; Martini 2009). Erwartungsgemäß haben sie sich besonders am Beispiel Chinas (s. a. Li Buyun 2006; Heuser 2009) und der untersuchten islamischen Staaten (Bahlul 2007) gezeigt. Dieser Befund schließt an frühere Ergebnisse zur Kulturalität von Institutionen an und kann als „Cultural Embeddedness der Rule of Law“ (Schuppert 2007, 2008a) bezeichnet werden (à SFB-Ziel 4: Aneigungs- und Abwehrprozesse in Räumen begrenzter Staatlichkeit).

 In der Folge entsteht – keinesfalls unerwartet – das Problem, dass von einem global einheitlichen Verständnis der Rule of Law nicht ausgegangen werden kann (vgl. Kleinfeld 2006). Demgegenüber ist die Rule of Law ein zentraler Baustein verschiedener Good Governance Kodices nationaler und internationaler Ebene (Hill 2005; Rudolf 2006). Und auf der Ebene über-nationaler Rechtsdiskurse lassen sich Versuche einer über lokale Kontexte hinausgehenden Verständigung über den normativen Gehalt der Rule of Law finden, der auf eine transnationale Verständigung über verfassungsrechtliche Institutionen schließen lässt. Über Transfer- und Aneignungsprozesse können diese transnationalen Verständigungen wiederum Eingang in lokale Diskurse über Rule of Law finden (vgl. Eckert 2009).

Wie nach den bisherigen Arbeiten im Teilprojekt immer deutlicher geworden ist, sind insbesondere zwei Aspekte der Rule of Law bzw. von Rechtsstaatlichkeit verallgemeinerbar und deshalb – gerade mit Blick auf Räume begrenzter Staatlichkeit – von zentraler Bedeutung (Schuppert/Kötter 2007), nämlich

  • die Generierung von Erwartungs- und Rechtssicherheit durch allgemein verbindliche Regelungsstrukturen (Normbindung) und
  • die Bereitstellung von Mechanismen und Verfahren nicht-gewaltsamer Konfliktaustragung (Normkontrolle).

Dieser Befund deckt sich im Wesentlichen mit dem historischen Verständnis von Rechtsstaatlichkeit des deutschen Verfassungsrechts, dessen Substrat sich – diesseits überschießender materiellverfassungsrechtlicher Gehalte – in dem Begriffspaar Bindung und Kontrolle findet (Böckenförde 1969; Schmidt-Aßmann 2003). Die vergleichende Analyse zeigt damit, dass v. a. das im deutschen Verfassungsrecht als „formelles Rechtsstaatsverständnis“ bezeichnete Konzept das Potenzial zur transnationalen Verallgemeinerung besitzen könnte (Schuppert 2009).

Ad (3): Rechtsetzung und Rechtsdurchsetzung sind – jedenfalls nach kontinental-europäischem Verständnis – klassische hoheitliche und damit staatliche Aufgaben. Allerdings belegen rechtshistorische Untersuchungen, dass „private Normsetzung“ auch in Deutschland eine lange Tradition hat (Vec 2006). Durch die Etablierung eines sehr engen Rechtsbegriffs zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist diese Tradition jedoch aus dem Blick geraten. Darauf weisen neuere rechtswissenschaftliche Arbeiten zu Private Governance hin, die Formen privater Normbildung und Normdurchsetzung im staatlichen Kontext untersuchen, wo sie sich in die von der jeweiligen Rechtsordnung eröffneten Autonomieräume einzufügen hat (Köndgen 2006).

Jenseits des Staates fehlt es an den institutionellen Voraussetzungen für staatliches Recht. Auf der Akteursebene geraten dafür sog. Normunternehmer in den Blick, die staatliche Normsetzung entweder funktional-äquivalent ersetzen können oder dies zumindest beabsichtigen, oder die Normen schaffen und ihre Durchsetzung betreiben, die jedenfalls für einzelne funktionale Teilbereiche gesellschaftlichen Handelns Stabilität ermöglichen. Auch in Räumen begrenzter Staatlichkeit lassen sich entsprechende Leistungen nachweisen, die von der Bevölkerung sogar erwartet und im Wege der Normbefolgung auch honoriert werden. Die Bereitstellung von rechtsstaatlicher Infrastruktur durch Private – sog. „Rechtsstaatlichkeitsunternehmer“ – bildet einen besonders elaborierten Fall privater Normsetzung. Empirische Arbeiten haben gezeigt, dass sie am ehesten von solchen Akteuren und v. a. global agierenden Unternehmen zu erwarten ist, an die von Seiten ihrer Herkunftsgesellschaft entsprechende Erwartungen gestellt werden (Wolf 2006).

Wenn es an einer staatlichen Ordnung weitgehend fehlt, bedeutet dies zugleich, dass auch kein durchsetzbares staatliches Recht vorhanden ist. Diejenigen Governance-Leistungen, die sonst dem staatlichen Recht zufallen, können deshalb nur substituierend durch nicht-staatliche Regeln erbracht werden. Ein wesentlicher Unterschied zwischen staatlichem Recht und privaten Normen ergibt sich mit Blick auf die jeweiligen Adressaten: Staatliches Recht ist an die Allgemeinheit und d.h. die Gesamtheit des Kollektivs gerichtet und beansprucht allgemeine Geltung, während private Normen höchst exklusiv sind und regelmäßig nur diejenigen verpflichten, die sich ihnen freiwillig unterwerfen (Köndgen 2006). Aus der Forschung zum sog. „Private Ordering“ weiß man, dass nicht-staatliche Regelsetzung v. a. dann wirksam ist, wenn ein sozial vorstrukturiertes Kollektiv dessen Befolgung sicherzustellen vermag; dies kann ein Berufsstand, eine Branche, ein Verband, eine Sippe oder Ethnie, eine Großfamilie oder eine Religionsgemeinschaft sein (vgl. Ipsen 2008). In Räumen begrenzter Staatlichkeit kommen als Regelungskollektive vor allem Stämme, Clans, Großfamilien oder religiöse Gruppen in Betracht. Unter Auswertung der empirisch arbeitenden Projekte des SFB wird in der zweiten Förderphase in systematischer Weise zu ermitteln sein, welche dieser Regelungskollektive in welchen Ländern bzw. Regionen eine besondere Rolle spielen (à SFB-Ziel 5: Von der Produktion privater Güter zur Bereitstellung von Governance).

Staatlichkeit oder jedenfalls Staatsnähe erweisen sich darüber hinaus regelmäßig als Geltungs- bzw. Stabilitätsvoraussetzung für nicht-staatliche Regelungsstrukturen. Staat kann insofern als (Rechts-) Sicherheitsgarant gelten (s. bspw. die von Schuppert betreute Dissertation von Nils Ipsen (2008) zur Geltung und Wirksamkeit von transnationalem Recht).

Ad (4): Auf der Seite der Streitschlichtung lässt sich ebenfalls ein Nebeneinander von staatlichen Institutionen und diese ergänzenden, nicht-staatlichen Akteuren beschreiben. Dies hat Judit Mengesha (2008) im Rahmen ihrer Magisterarbeit exemplarisch für das Teilprojekt untersucht am Beispiel der Streitbelegung durch Älteste und hybride Gerichte in Äthiopien. Dabei wurde deutlich, dass sowohl hybride als auch rein gewohnheitsrechtliche Mechanismen in der rechtshistorischen Perspektive ein hohes Maß an Kontinuität aufweisen. Die Bevorzugung der gewohnheitsrechtlichen vor den staatlichen Mechanismen ist zum einen durch strukturelle Bedingungen wie Kosten, geographische Entfernung und/oder zeitlichen Aufwand begründet. Vor allem aber bietet die Austragung eines Konflikts den Parteien eine höhere Erwartungssicherheit und – da es sich oftmals um Prozesse der Aushandlung von Kompromissen handelt – auch größere Einflussnahmemöglichkeiten. Durch die soziale, geographische und kulturelle Nähe der Akteure eines solchen Prozesses genießen diese Mechanismen mehr Legitimität und bessere Durchsetzungsfähigkeit (à SFB-Ziel 3: Effektivität und Legitimität von Governance).

Zwei Aspekte sind im Beispiel Äthiopiens von besonderem Interesse: die vom Staat geschaffenen hybriden Gerichte (social courts) sollen zwar staatliches Recht anwenden und durchsetzen, dies aber mit den Mitteln des lokalen Gewohnheitsrechts. Bis vor wenigen Jahren gestattete es das staatliche Recht gewohnheitsrechtlichen Akteuren, für Teilbereiche des Familienrechts rechtlich verbindliche Entscheidungen zu treffen, die vor formalen Gerichten anerkannt waren. Dabei wurden gewisse formale Anforderungen der familienrechtlichen Prozessordnung auch von diesen nicht-staatlichen Akteuren befolgt.

Ad (5): Aus dem Nebeneinander verschiedener Normordnungen, die auf verschiedene Normsetzer zurückzuführen sind, ergibt sich eine Reihe von Problemen, die regelmäßig die Normstrukturen in Räumen begrenzter Staatlichkeit kennzeichnen:

(a)  das Problem der Legitimität und der Moralität des Rechts,

(b)  das Problem der Sicherheit, Steuerungsfähigkeit und Effektivität des Rechts und

(c)  das Problem der Pluralität des Rechts.

ad a): Die Legitimität von Normen hängt von den jeweiligen, in einem sozialen Kollektiv vorherrschenden Legitimationserwartungen und ihrer Erfüllung auf der Grundlage der institutionellen Strukturen ab, in deren Rahmen die Legitimationsprozesse stattfinden (Kötter 2009). Vorauszusetzen ist, dass

  • das Kollektiv eine entsprechende Rechtsnorm überhaupt als Maßstab zur Lösung eines Problems anerkennt (Rechtsprinzip),
  • die Norm entsprechend der spezifischen Legitimationserwartungen des Kollektivs – in formeller und inhaltlicher Hinsicht (vgl. Tamanaha 2005) – zustande kommt oder ihre Anerkennungswürdigkeit infolge Bewährung im Rahmen eines dynamischen normativen Kontexts entsteht (Kötter 2009),
  • dabei jedenfalls minimale normative Anforderungen an den Inhalt des Rechts gewahrt werden (Moralität des Rechts). Das heißt einerseits, dass die Regeln in einem jeweils kulturell bedingten, normativen Spektrum liegen müssen und dass sie andererseits ein universell anerkanntes ethisches Minimum nicht unterschreiten dürfen (Ladwig 2006),
  • die mit der Norm verbundenen Effektivitätserwartungen jedenfalls nicht ganz unplausibel sind.

ad b): Die Sicherheit, Steuerungsfähigkeit und Effektivität von Normen kann aus der Perspektive des Teilprojekts nur theoretisch bewertet werden. Regelungsstrukturen sind dann besonders effektiv (oder „sicher“ im Sinne der Rechtssicherheit, vgl. von Arnauld 2006), wenn

  • die Regeln bekannt, klar und widerspruchsfrei sind,
  • die Regeln faktisch allgemeine Anerkennung finden, was nicht zuletzt voraussetzt, dass sie nicht mit kulturellen Normen kollidieren und wenn
  • die Geltung und die Durchsetzung der Regeln von den Regeladressaten auch erwartet wird.

ad c): Die Pluralität von Normen unterschiedlicher Herkunft und Hierarchie hat sich als ein Forschungsschwerpunkt des Teilprojektes herausgestellt (vgl. Kötter/Schuppert 2009). Normenkollisionen und andere Normenkonflikte lassen sich zwischen Normen verschiedenster Art und Herkunft feststellen, von familiären oder religiösen Regeln über lokales, regionales oder nationales staatliches Recht und international gültige Prinzipien und Standards. Aus juristischer Sicht handelt es sich v. a. um zwei Arten von Geltungskollisionen (Alexy 2002):

  • erstens die Konkurrenz von verschiedenen Rechten und
  • zweitens die Konkurrenz von Recht mit anderen sozialen Normen wie der Moral.

Die so entstandene „normative Pluralität“ lässt sich über das Konzept der Regelungsstruktur darstellen. In der Sprache der Governance-Forschung sind Kollisionsregeln und -ordnungen als institutionalisierte Modi der Handlungskoordination zu verstehen. Wir finden sie auf lokaler, nationaler und transnationaler Ebene (Berman 2006; von Benda-Beckmann 2009; Eckert 2009). Die Legitimität, die Sicherheit und die Effektivität von Normen bedingen sich gegenseitig, lassen sich theoretisch jedoch unterscheiden und voneinander getrennt untersuchen und beschreiben. Sie werden die zentralen Forschungsfragen des Teilprojekts in der zweiten Förderphase des SFB sein.

ad (6): Eine zentrale Aufgabe des (verfassungs-) rechtlichen und rechtstheoretischen Teilprojekts im SFB war es in der ersten Förderphase außerdem, den Beitrag der Rechtswissenschaft zur Erforschung von Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit näher zu bestimmen. Das Recht und seine Regelungsstrukturen erweisen sich – gerade auch unter einer stärker institutionalistischen als akteurszentrierten Perspektive – als zentrale Bausteine der zukünftig im Mittelpunkt des Projektbereichs B stehenden „Governance-Institutionen“, ein Befund, der den Themenbereich von Recht und Rechtsstaatlichkeit als Governance-Ressourcen im gesamten SFB eine gewisse Querschnittsfunktion verleiht. Die Rechtswissenschaft liefert dazu wenigstens zweierlei: (1) Methoden der Normanalyse als klassische juristische Tätigkeit und darüber hinaus (2) den deskriptiv-analytischen Blick von außen auf ihren Gegenstand, das Recht. Bei der Untersuchung von Regelungsstrukturen ebenso wie von anderen Institutionen kann beispielsweise auf Methoden zugegriffen werden, die im Zusammenhang mit der Wirkungsforschung von Recht entwickelt worden sind (Kötter 2008). Noch weiter zu erschließen sind in diesem Zusammenhang auch neuere Methodendiskussionen bspw. in den von der Steuerungs- und Governance-Theorie affizierten Bereichen der Wissenschaft vom Öffentlichen Recht (ausführlich zur „Neuen Verwaltungsrechtswissenschaft“ Voßkuhle 2006 und zu Governance in den Rechtswissenschaften Schuppert 2005; 2008b) oder auch in den Arbeiten zur Gestalt eines Global Administrative Law (Kingsbury et al. 2005; B8 Rudolf).