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Archive als Felder – Feldforschung in Tianjin und Qingdao, Volksrepublik China

News vom 10.07.2015

Als historisches Projekt, welches sich mit Adaption und Legitimation als Erklärungsfaktoren effektiver Governance in den ersten acht Jahren nach der Gründung der Volksrepublik China (1949-1957) beschäftigt, sind wir für unsere Forschung auf Dokumente angewiesen. Anders als Politik- und Sozialwissenschaftler/innen, die Wissen im direkten Gespräch abfragen können, bleibt uns der Zugang dazu lediglich über Aufzeichnungen und Notizen. Die Spuren der Expert/innen damaliger Institutionen werden somit zu unseren Feldern; unsere Feldforschung dementsprechend zu einer Reise in die Archive.

Diese traten im August 2014 die beiden wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Vanessa Bozzay und Suy Lan Hopmann sowie unsere wissenschaftlichen Assistentinnen Yuzhu Zhang und Vivien Chen an. Ziel waren die Stadtarchive der beiden chinesischen Städte Tianjin und Qingdao: erstere eine Hafenstadt 150 km südwestlich von Beijing, letztere eine ehemalige deutsche Kolonie und Küstenstadt im Norden Chinas. Im Mittelpunkt standen eine erste Einschätzung zur aktuellen Lage in den Archiven und das Prüfen der Verfügbarkeit und des Zugangs relevanter Dokumente. Inhaltlich beschäftigten wir uns mit dem institutionellen Aufbau lokaler, administrativer Strukturen und den Maßnahmen, die diesen Prozess auf der kognitiven und emotionalen, aber auch der konkreten handlungstechnischen Ebene initiierten und begleiteten. Als Indikatoren dienten hierbei sowohl Institutionen des Propaganda- und Bildungsapparates als auch politische Kampagnen, die als politisches Instrument vor allen Dingen unter dem Parteivorsitzenden Mao Zedong eine herausragende Rolle spielten.

Die Lage vor Ort gestaltete sich jedoch schwieriger als erwartet. Hatten chinesische Archive in den letzten Jahren einen Öffnungsprozess erfahren, der vielen Historiker/innen neue Einblicke und Zugänge zur neueren chinesischen Geschichte, vor allem seit 1949, ermöglicht hatte, so ließen sich im letzten Jahr wieder rückläufige Tendenzen beobachten. Die bereits in der letzten Phase genutzten Stadtarchive Tianjins und Qingdaos stellten im Vergleich zu 2013 weitaus weniger Material zur Ansicht zur Verfügung, auch war das Kopieren vorhandener Berichte und Dokumente nicht mehr möglich. Darüber hinaus erfuhren wir von einer Klassifizierung des Materials, welches den Zugang von Personal, Personen mit chinesischer Staatsangehörigkeit und Personen anderer Staatsangehörigkeiten unterschiedlich regelte. Der Eindruck, dass sich die Zugangsregelungen zu chinesischen Archiven in den nächsten Jahren weiter verschärfen werden, bestätigte sich bei der Lektüre von Blogeinträgen und Konferenzberichten weiterer Chinaforschender und in persönlichen Gesprächen vor Ort.

Mit der Hilfe unserer chinesischen Assistentinnen und über einige persönliche Kontakte war es uns letzten Endes jedoch trotzdem möglich, einiges Material zusammenzutragen, welches wir aktuell bearbeiten und einer ersten Durchsicht unterziehen. Die Ergebnisse bilden die Grundlage für eine weitere Reise im Juli und August diesen Jahres.

Über die Autorin:

Suy Lan Hopmann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Teilprojekt B13. Dort untersucht sie, wie es der Kommunistischen Partei Chinas zw. 1949 und 1957 unter Bedingungen begrenzter Staatlichkeit gelang, ihre Herrschaft zu konsolidieren.