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1. Erfolgsbedingungen effektiven und legitimen Regierens

Im Sinne empirisch gesättigter Theoriebildung haben wir als Ergebnis der vergangenen Forschungsarbeit vier Faktoren identifiziert, die entscheidend für den Erfolg oder Misserfolg von Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit sind:

Der Institutionalisierungsgrad der Governance-Konstellation – also zum Beispiel die Präzision und Verbindlichkeit von Regeln oder die Überwachung von Verfahren – schafft Erwartungssicherheit und Compliance bei den beteiligten Akteuren. Die Fähigkeit zum institutionalisierten Lernen verbessert die flexible Anpassung der Governance-Konstellation an lokale Kontexte und veränderte Rahmenbedingungen. Ein komplementäres Verhältnis von formellen und informellen Institutionen steigert die Effektivität des Regierens, während die Widersprüchlichkeit formaler Regeln und informeller Praktiken oft maßgeblich zum Scheitern von Governance beiträgt. Schließlich kann die Einbettung des Regierens in Institutionen der Meta-Governance – also in Institutionen der Koordination unterschiedlicher Governance-Akteure – Normkollisionen ebenso wie Redundanzen verhindern.

Staatliche Organe sind in unseren Untersuchungsräumen nicht in der Lage, Recht und Gesetz effektiv durchzusetzen und das Gewaltmonopol zu implementieren. Governance-Akteure müssen sich mit dem routinierten Amtsmissbrauch in lokalen Behörden auseinandersetzen. Dennoch ist erfolgreiche Governance regelmäßig auf partielle staatliche Funktionen angewiesen, zum Beispiel Infrastrukturleistungen oder ein Auftreten des Staates als „Governance-Manager“. Funktionale Äquivalente zum staatlichen „Schatten der Hierarchie“ sind die hierarchische Steuerung durch externe Akteure; die drohende Abwesenheit politischer Ordnung (die nichtstaatliche Akteure zu eigenen Governance-Leistungen motiviert); sowie antizipierte Reputationsgewinne nichtstaatlicher Akteure.

Die von Governance betroffenen Menschen richten ihre Handlungsstrategien entscheidend danach, ob sie einen Governance-Akteur anerkennen und seine Governance-Leistung für legitim halten. Die damit verbundenen Aneignungs-, Abwehr- und Übersetzungsprozesse beeinflussen wiederum die Effektivität von Governance maßgeblich. Legitimität und Effektivität bilden am Ende einen Tugend- oder Teufelskreis, dessen Stellschrauben wir eigens untersuchen werden (siehe unten).

Soziales Vertrauen ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass Akteure Probleme kollektiven Handelns effektiv lösen können. Wechselseitiges Vertrauen versetzt Akteure in die Lage, Governance-Leistungen einzufordern oder selbstständig zu erbringen und die Verantwortlichen zu überwachen. Allerdings kann kollektive Handlungsfähigkeit auch Abwehrstrategien stärken. Wir fragen, wie sich personalisiertes Vertrauen auf Governance auswirkt und wie es gelingen kann, generalisiertes Vertrauen über lokale Gemeinschaften hinaus zu erzeugen.