Wie viel Staat braucht Governance? Ein kritischer Kommentar
Thomas Risse, Stephan Leibfried – 2011
Dieser Band fragt nach dem staatlichen Beitrag zu Governance in Räumen konsolidierter und begrenzter Staatlichkeit. Genauer gesagt lautet die Frage: Wie viel Staatlichkeit ist eigentlich notwendig, damit »neue« Formen des Regierens – also nicht-hierarchische Modi der Handlungskoordination unter Beteiligung staatlicher und/oder nicht-staatlicher Akteure – gelingen können? Mit »Gelingen« ist gemeint, dass sie zum einen effektiv zur Regelsetzung und zur Bereitstellung von Gemeinschaftsgütern beitragen und zum anderen Legitimität erzeugen im Sinne der normativen Anerkennungswürdigkeit und der empirischen Anerkennung der politischen Ordnung durch die Regierten. Um diese Frage einer Antwort näher zu bringen, haben die Herausgeberinnen und Herausgeber ein beachtliches Team versammelt, das sich aus Autorinnen und Autoren des Berliner Sonderforschungsbereichs (Sfb) 700 »Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit« und des Bremer Sfb 597 »Staatlichkeit im Wandel« zusammensetzt. Abgesehen davon, dass eine wissenschaftliche Kooperation zwischen Sonderforschungsbereichen immer zu begrüßen ist, macht die Zusammenarbeit auch methodisch Sinn: Denn wie soll eigentlich die zentrale Frage »Wie viel Staat ist nötig, damit Governance funktioniert?« beantwortet werden, wenn nicht die Grade von Staatlichkeit variiert werden? Die ganze Debatte um Staatlichkeit und Governance krankt daran, dass sie entweder konsolidierte Staatlichkeit stillschweigend voraussetzt (zum Beispiel Benz 2004, Mayntz/Scharpf 1995, Voigt 1995, ebenso die meisten Beiträge in Schuppert/ Zürn 2008) oder aber – wie in der Diskussion um »zerfallen(d)e« Staaten – den demokratischen Wohlfahrtsstaat der westlichen Moderne zum Maßstab aller Dinge erhebt (Rotberg 2003, 2004, Schneckener 2004).