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Feldforschungsreise Nairobi und der Mythos des „capacity buildings“ bei der Pirateriebekäpfung am Horn von Afrika

Gastvortrag an der United States International University Nairobi

Gastvortrag an der United States International University Nairobi

News vom 01.03.2016

Im Rahmen meiner Arbeit im Teilprojekt C11- Völkerrechtliche Beiträge zur Ermöglichung von Sicherheits-Governance durch externe Akteure in Räumen begrenzter Staatlichkeit am Sonderforschungsbereich 700 habe ich im Oktober eine Forschungsreise nach Nairobi (Kenia) durchgeführt. Das Teilprojekt C11 befasst sich mit der Frage wie die grenzüberschreitende Kriminalität, die oft aus Räumen begrenzter Staatlichkeit erwächst, am effektivsten bekämpft werden kann. Warum ist nun Kenia interessant? Das derzeitige Modell des internationalen Strafrechts siedelt die Hauptverantwortung für die Bekämpfung der transnationalen Kriminalität bei den Staaten an. Dabei regeln die Verträge, die sich mit bestimmten Kriminalitätstypen befassen, die Formen der Zusammenarbeit und wie sich ein Staat für zuständig erklären kann bzw. muss, um den oder die mutmaßlichen Täter durch seine Strafverfolgungsorgane und Gerichte zu verfolgen.

Kenia weckte dabei besonderes Interesse aufgrund der Pirateriebekämpfung am Horn von Afrika in den Jahren 2007 – 2014. Während sich westliche Staaten zumeist darum bemühten die Täter/innen auf der Hohen See durch den Einsatz ihrer Marine zu bekämpfen, wurde die Hauptlast der strafrechtlichen Verfolgung durch bilaterale Absprachen auf drei Regionalstaaten verteilt: Mauritius, die Seychellen und Kenia. Dabei hat Kenia mit Abstand die meisten Täter/innen verurteilt. Bis dato wurde das gegenwärtig gültige System noch nie in einer derartigen Quantität angewendet.

Obwohl seinerzeit angezweifelt wurde, dass Kenia dieser Aufgabe aufgrund seiner knappen Ressourcen und der dortigen Menschenrechtslage tatsächlich gerecht werden kann, wurde doch immer wieder argumentiert, dass die internationale Zusammenarbeit zu einer Form des capacity buildings im kenianischen Rechtssystem beitragen kann. Ziel der Forschungsreise war es dieses Argument zu untersuchen.

Im Besonderen interessierte mich dabei wie sich die Garantien, die sich die europäischen Staaten im Hinblick auf die Prozessgrundrechte durch ein Memorandum of Understanding von Kenia haben zusichern lassen, nun auch im kenianischen Strafrechtssystem widerspiegeln. Die Antwort auf diese Frage fällt ernüchternd aus. Denn obwohl diese Rechte nun in Artikel 49 – 51 dezidiert in der neuen Verfassung von 2010 aufgenommen wurden, lassen sie sich nach Meinung der meisten Interviewpartner/innen nicht auf die Pirateriebekämpfung zurückführen. Anschaulich wird dies beim Recht auf eine Pflichtverteidigung: Damit ein Strafverfahren den Ansprüchen eines fairen Verfahrens gem. Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention genügt, muss dem/der Beschuldigten das Recht auf eine/n Pflichtverteidiger/in zugestanden werden. Dies haben sich die EU Staaten von der kenianischen Regierung zusichern lassen. Doch obwohl auch Artikel 50 Absatz 2 lit. (h) das Recht auf eine/n Pflichtverteidiger/in gewährt, ist dies nur der Fall, wenn es ansonsten zu substantiellem Unrecht käme. Diese Voraussetzung wird von den Gerichten so gut wie nie festgestellt. Und so bleibt es dabei, dass das Recht auf eine/n Pflichtverteidiger/in praktisch nur in den Fällen gewährt wird, in denen dem/der Beschuldigten die Todesstrafte droht (bei Mord und Hochverrat).

Daneben war eine weitere interessante Erkenntnis, dass die kenianische Bevölkerung der Internationalen Strafgerichtsbarkeit (etwa in Form des ICC) keinesfalls so negativ gegenüber steht, wie ihre Regierung. Die beiden wesentlichen Erkenntnisse lassen sich also wie folgt zusammenfassen: Die internationale Kooperation im Rahmen der Pirateriebekämpfung hat zu keiner spürbaren Entwicklungshilfe für das kenianische Rechtssystem geführt. Damit ist dieses Argument, dass noch für den gültigen Rechtsrahmen spricht wiederlegt. Die kenianische Bevölkerung steht einer internationalen Strafgerichtsbarkeit eher positiv gegenüber, was dafür spricht, dass die Bevölkerung keineswegs die Auffassung der Regierung(en) teilt, es handle sich dabei um ein postkoloniales Instrument westlicher Staaten die alleine auf Afrika fokussiert seien.

Über den Autor:

Cedric Drescher ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Teilprojekt C11- Völkerrechtliche Beiträge zur Ermöglichung von Sicherheits-Governance durch externe Akteure in Räumen begrenzter Staatlichkeit und untersucht, inwieweit der gegenwärtig gültige Rechtsrahmen zur strafrechtlichen Verfolgung transnationaler Kriminalität auch im Kontext begrenzter Staatlichkeit geeignet ist.