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Projektbeschreibung

B4 -  Wissen und Herrschaft: Scientific colonialism in den deutschen und japanischen Kolonien, 1884-1937

Projektbeschreibung

Im Rahmen eines deutsch-japanischen Vergleichs soll der Zusammenhang unterschiedlicher Formen von Governance im kolonialen Raum mit der Generierung von Wissen über die einheimischen Gesellschaften untersucht werden. Der deutsche und japanische scientific colonialism rekurrierten auf systematische Weise auf geographisches, ethnologisches, linguistisches und juristisches Wissen über die kolonialen Gesellschaften, um politische Kontrolle und das Delegieren von Befugnissen und Zuständigkeiten möglichst effektiv zu gestalten. Im Rahmen des Teilprojektes soll vergleichend gefragt werden, wie dieses koloniale Archiv die Herrschaftspraxis und das Verhältnis zwischen staatlichen und privaten Akteuren geprägt hat. Dabei stehen für das Teilprojekt vor allem folgende Fragen im Mittelpunkt:

  1. Wie sah der Zusammenhang von Herrschaft und Wissen im Kontext der deutschen und japanischen Kolonien konkret aus? Auf welche Weise beruhte koloniale Herrschaft auf der Erhebung, Archivierung und Klassifizierung von Wissen über die kolonisierten Gebiete und Gesellschaften? Hat die Generierung dieses kolonialen Archivs die Art und Weise der Herrschaft und der Allokation von Zuständigkeiten verändert? Auf welche Weise hat sich die enge Verbindung mit Fragen von Herrschaft und Macht in den betreffenden Wissensformen niedergeschlagen?
  2. Welche Rolle spielten in diesem Zusammenhang Formen indigenen Wissens? In welchem Maße rekurrierten die beteiligten „Wissenschaftler“ (in einem breiten Sinn) bei der Erhebung kolonialen Wissens auf einheimisches Wissen und lokale Formen der Selbstauslegung? Wie sahen die Prozesse der Übersetzung aus, durch die koloniale Wissenschaftler (und die koloniale Bürokratie) sich indigene Wissensformen aneigneten? In welchem Maße war koloniale Herrschaft auf dieses lokale Wissen angewiesen?
  3. Welche privaten Akteure konnten von der Einbeziehung von (lokalem) Wissen in erster Linie profitieren? Die Strategie des divide et impera ermöglichte unterschiedlichen Gruppen und Akteuren – von allem traditionalen und lokalen Gewalten, ‚Übersetzern’ wie Wissen­­schaftlern und (christlichen) Missionaren, schließlich privaten Gesellschaften und Unternehmen aus der Metropole – die Beteiligung an kolonialer Herrschaft. Welche Gruppen waren in der Lage, die Ressource Wissen für ihre Belange zu nutzen?
  4. Schließlich soll im Rahmen eines deutsch-japanischen Vergleichs gefragt werden, inwiefern sich europäischer und nicht-westlicher Kolonialismus im Hinblick auf die Einbeziehung lokalen Wissens bei der Durchsetzung, Delegierung und Legitimierung von Herrschaft unterschieden. Dabei soll auch diskutiert werden, in welchem Maße – angesichts der zahlreichen Transfer­prozesse innerhalb der Wissenschaftlernetzwerke und des Erfahrungsaustauschs der Kolonialbürokratien – koloniale Herrschaft ein transnationales Projekt darstellte, bei dem die nationalen (und kulturellen) Unterschiede in den Hintergrund treten konnten.