Gesundheitsversorgung von Müttern und Kindern in Tansania und Südafrika: Was leisten externe Akteure?
News vom 24.08.2016
Wie stark müssen staatliche Strukturen sein, damit internationale Akteure effektiv Governance leisten können? Diese Frage untersuche ich im Rahmen des Teilprojektes B2 – Der Governance-Beitrag externer Akteure in Räumen begrenzter Staatlichkeit und konzentriere mich dabei auf Mütter- und Kindergesundheit in Tansania und Südafrika. Der Bereich Gesundheit zieht vor allem in Sub-Sahara Afrika Milliarden US-Dollar an Entwicklungshilfe an. Gleichzeitig sind in diesem Feld eine Vielzahl von internationalen und Nichtregierungsorganisationen sowie bilaterale Geber aktiv. Sowohl in der Praxis als auch in der Wissenschaft rückt dabei die Stärke staatlicher Strukturen zunehmend in den Vordergrund als eine Erfolgsbedingung für Entwicklungszusammenarbeit bzw. Governance-Leistungen. In meiner Forschung dient Tansania als Fallbeispiel für einen relativ schwachen Staat und Südafrika für einen eher starken. Anfang des Jahres habe ich beide Länder für je vier Wochen bereist, um Experteninterviews mit externen Akteuren und Ministeriumsmitarbeitern zu führen und Dokumente zu sammeln.
In Tansania ist das Akteursfeld unübersichtlich; viele bekannte Organisationen und Geber geben auf ihrer Website und im Gespräch an, Mütter- und Kindersterblichkeit zu bekämpfen. Auf genaue Nachfrage stellt sich dann allerdings oftmals heraus, dass die Anzahl von konkret fassbaren Projekten weit geringer ist als suggeriert wird, und diese in der Regel von einer Vielzahl von Akteuren zusammen durchgeführt werden. Wenn ich also in Interviews bei vier verschiedenen Organisationen von Projekten gehört habe, es sich aber tatsächlich um ein und dasselbe Projekt gehandelt hat, ist der überhaupt mögliche Effekt auf die lokale Gesundheitsversorgung deutlich kleiner als zunächst angenommen. Tatsächlich bestätigen viele Interviewpartner, dass das Akteursfeld schlecht koordiniert ist. Das Gesundheitsministerium ist vor allem aufgrund von Personalmangel und überkomplexen bürokratischen Prozessen nur teilweise in der Lage, der Koordinationsaufgabe nachzukommen. Dennoch scheinen kleinere Projekte durchaus effektiv zu sein, wie durch Evaluationsberichte der Akteure deutlich wurde. Denn die Projekte werden zwar in der Konzeptionsphase mit dem Gesundheitsministerium abgesprochen, danach aber weitgehend autonom von den Organisationen und Gebern umgesetzt. So sind sie nur teilweise auf die Stärke staatlicher Strukturen angewiesen.
Über Interviews hinaus konnte ich einen direkten Einblick in die ländliche Gesundheitsversorgung Tansanias gewinnen. Ich begleitete ein Team der GIZ nach Masasi in der Region Mtwara an der südlichen Grenze des Landes, um dort im Distriktkrankenhaus einem zweitägigen on the job training auf der Neugeborenen- und Geburtsstation beizuwohnen. Diese Art von Training ist eine weit verbreitete Projektmaßnahme und wird von einer Vielfalt von Akteuren in Tansania durchgeführt. Durch die Auffrischung und Erweiterung der Kenntnisse von Schwestern und Ärzten soll ein nachhaltiger Beitrag zur Reduzierung von Mütter- und Neugeborenensterblichkeit geleistet werden. Zunächst einmal ist allein die Tatsache, dass es überhaupt eine Neugeborenen-Station gibt, eine Besonderheit im ländlichen Tansania. Dennoch fehlt es auf den ersten Blick an allem: Die Mückennetze über den Betten sind kaputt und gewährleisten so keinen Schutz gegen Malaria; keiner der Wasserhähne funktioniert und Instrumente werden mit Regenwasser in Plastikeimern sterilisiert; der Strom fällt mehrmals täglich aus; es sind über 40 Grad in den Zimmern und den Müttern und Neugeborenen steht der Schweiß auf der Stirn. Doch trotz alldem: Hier werden täglich Leben gerettet. Wie effektiv dieses Training allerdings langfristig ist, wird sich erst in ein oder zwei Jahren, wenn das GIZ-Team zurückkehrt, zeigen. Als hier vor einiger Zeit ein ähnliches Training von einer anderen Organisation durchgeführt wurde, wurden Materialien zur Erfassung der Patientendaten mitgebracht, die nun aber unbenutzt in einer Ecke lagen. Offenbar ist hier die Aktion der Geberorganisation im Sand verlaufen.
In Südafrika ist die Situation im Gesundheitssektor eine gänzlich andere. Hier ist der Großteil externer Ressourcen an die Bekämpfung von HIV/AIDS gebunden und andere Gesundheitsfelder bleiben schlichtweg außen vor. Dieser Trend entpuppt sich zunehmend als Problem für Bereiche wie Müttergesundheit, wo nach wie vor grundlegende Unzulänglichen in der Versorgung existieren. Im Vergleich zu Tansania sind also weit weniger Akteure im Bereich Mütter- und Kindergesundheit aktiv. diese stehen jedoch sehr viel enger mit dem Ministerium in Verbindung und sind gut koordiniert. Anstatt vieler kleiner Trainingsprogramme wie in Tansania, gibt es hier eine große Initiative, die von Großbritannien und der EU finanziert, über das Ministerium koordiniert und von der Universität von Pretoria ausgeführt wurde. Es wurden Trainings in vielen Krankenhäusern des Landes durchgeführt und die Ergebnisse sind beeindruckend. Dennoch klagen die Akteure hier über Parteikonflikte, die durch die Bürokratie auch in eher technische Politikfelder wie Gesundheit hineingetragen werden und den Umsetzungsprozess maßgeblich verlangsamen.
Während meines Aufenthaltes sind deutliche Differenzen zwischen den Ländern sowohl im Hinblick auf die Rolle internationaler Organisationen und bilateraler Geber in der Gesundheitsversorgung als auch der Rolle und Kapazität der staatlichen Strukturen erkennbar geworden. In Tansania spielen externe Akteure eine weit größere Rolle als in Südafrika, sind aber wegen unzulänglicher bürokratischer Kapazität der staatlichen Strukturen weniger gut koordiniert. Gleichzeitig erscheint ein hohes Maß an Staatlichkeit nicht unbedingt notwendig zu sein für die effektive Umsetzung einzelner (kleinerer) Projekte. Insofern lässt sich die These aufstellen, dass das Maß an Staatlichkeit nicht notwendigerweise für die Effektivität einzelner Projekte, sondern für den Impact der externen Akteure auf die Gesundheitsversorgung insgesamt relevant ist. In diesem Sinne hat der Aufenthalt einen wichtigen Beitrag zur Forschungsagenda des B2-Projektes leisten können.
Über die Autorin: Luisa Linke-Behrens ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Teilprojekt B2 – Der Governance-Beitrag externer Akteure in Räumen begrenzter Staatlichkeit und untersucht Staatlichkeit als eine Bedingung für die Effektivität von Governance-Leistungen externer Akteure in Tansania und Südafrika. |