Forschungsprogramm der dritten Förderperiode
In der dritten Förderperiode des SFB 700 nehmen wir uns vor, aus unseren empirischen Erkenntnissen eine untermauerte Theorie des Regierens in Räumen begrenzter Staatlichkeit abzuleiten. Wir vermuten, dass vier Gruppen von Erfolgsbedingungen effektive Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit erklären können:
(1) Institutionelle Arrangements: Relevant sind der Institutionalisierungsgrad der Governance, die Anpassungsfähigkeit an lokale Kontexte, die Interaktion formal gesatzter Regeln und informeller Praktiken sowie die Einbettung in Institutionen der Meta-Governance, die unterschiedliche Governance-Akteure koordinieren und Kollisionsregime bereitstellen.
(2) (Rest-)Staatlichkeit und funktionale Äquivalente: Funktionale Äquivalente zum staatlichen „Schatten der Hierarchie“ sind u. a. die hierarchische Steuerung durch externe Akteure, der „Schatten der Anarchie“ (die drohende Abwesenheit politischer Ordnung) sowie antizipierte Reputationsgewinne nichtstaatlicher Akteure.
(3) (Empirische) Legitimität: Legitimität und Effektivität von Governance können sowohl einen Tugend- als auch einen Teufelskreis bilden. Die Legitimität von Governance in den Augen der Betroffenen beeinflusst deren Handlungsstrategien entscheidend. Die damit verbundenen Aneignungs-, Abwehr- und Übersetzungsprozesse beeinflussen wiederum die Effektivität von Governance maßgeblich.
(4) Soziale Integration und Vertrauen: Soziales Vertrauen ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass Akteure Probleme kollektiven Handelns effektiv lösen können. Wechselseitiges Vertrauen versetzt Akteure in die Lage, Governance-Leistungen selbstständig zu erbringen. Wir fragen, wie sich personalisiertes Vertrauen auf Governance auswirkt und wie es gelingen kann, generalisiertes Vertrauen über lokale Gemeinschaften hinaus zu erzeugen.
Unser zweiter Beitrag zu einer Theorie von Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit besteht darin zu erklären, wie die empirische Legitimität von Governance als zentrale Erfolgsbedingung von Governance zustande kommt. Aus welchen normativen Gründen befürworten die Betroffenen Governance? Dabei konzentrieren wir uns auf folgende Quellen von Legitimität: Partizipation und prozedurale Fairness (Input- und Throughput-Legitimität); die antizipierte Effektivität von Governance (Output-Legitimität); besondere Eigenschaften der Governance-Akteure (Wissen, moralische und religiöse Kompetenz sowie ethnisierte Identitätszuschreibungen); sowie die Lokalisierung und Übersetzung externer Normen.
In der dritten Förderperiode geht es uns schließlich um die Konsequenzen von Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit, um die normative Beurteilung und die Formulierung von Politikempfehlungen. Uns beschäftigen die Auswirkungen komplexer Governance-Arrangements auf Staat, Staatlichkeit und das internationale System. Wir fragen nach den Möglichkeiten, verschiedene Governance-Akteure zu koordinieren und zwischen unterschiedlichen normativen Ansprüchen zu vermitteln (Meta-Governance). Und nicht zuletzt untersuchen wir auch die drängenden Fragen nach der Anerkennungswürdigkeit und sozialen Gerechtigkeit von Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit.