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Als „Scholar in Residence“ im Auswärtigen Amt - ein Bericht über Arbeit zwischen Wissenschaft und politischer Praxis

ein Bericht über Arbeit zwischen Wissenschaft und politischer Praxis

News vom 24.08.2016

Im Rahmen des Transferprojektes T3 des Sonderforschungsbereiches 700 werden die Ergebnisse der Grundlagenforschung des SFB 700 aus allen drei Förderperioden hinsichtlich ihrer Policy-Implikationen für die deutsche Außenpolitik ausgewertet und aufbereitet.

Es bildet somit eine Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politikpraxis. Das Auswärtige Amt (AA) ist dabei der zentrale Transferpartner. Ein Grundlegender Bestandteil dieser Zusammenarbeit zwischen dem SFB und dem AA sind sogenannte „Scholar in Residence“.

Die Zeit vom 1. Juni bis zum 31. Dezember 2016 verbrachte ich selbst als „Scholar in Residence“ im Auswärtigen Amt. Die Scholars in Residence sind Mitarbeiter*innen, die der SFB 700 für etwa sechs Monate ins Auswärtige Amt entsendet, um dort an gemeinsam ausgewählten Schwerpunktthemen zu arbeiten. Während seines Aufenthaltes arbeitet der Scholar mit einem Kernteam aus drei wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen des SFB 700 zusammen. Innerhalb des AA ist dieses Team im Referat S01 („Steuerungsgruppe, Grundsatzfragen, fragile Staaten“) der Abteilung S („Krisenprävention, Stabilisierung, Konfliktnachsorge und Humanitäre Hilfe“) angegliedert.

Nach den ersten beiden Schwerpunktthemen im Wissenstransfer, Rechtsstaatsförderung und Sicherheitssektorreform bildete das Thema „Stabilisierung“ den dritten Schwerpunkt. Die Themenwahl erklärt sich durch die zunehmende Bedeutung des Stabilisierungsbegriffes in der internationalen Politik. Viele westliche Staaten, wie z.B. die Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien, die Niederlande oder Kanada haben Stabilisierung als zentrale Zielsetzung ihres Engagements in fragilen und Konfliktstaaten definiert.

Als ich im Juni 2016 meine Tätigkeit im AA aufnahm, hatte sich schon eine Arbeitsdefinition von Stabilisierung beim AA und dem Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) herausgebildet. Diese Arbeitsdefinition beschrieb Stabilisierung als Maßnahmen zur Förderung politischer Prozesse, die zu einer Einhegung von Gewalt oder zur Schaffung eines sicheren Umfeldes und/oder zur Verbesserung von Lebensbedingungen führen. Da aber diese Definition keine konkreten Anleitungen enthielt, die Referenten*innen bei ihrer Arbeit hätten nutzen können – z.B. bei der Planung von Stabilisierungsmaßnahmen in einem Krisenland – wurde die Operationalisierung des Stabilisierungsbegriffes schnell zum Ziel meines Aufenthaltes. Die besondere Projektstruktur von T3 gestattet es, Arbeitsprozesse innerhalb der Bürokratie des AA über die Zeit hinweg sehr intensiv zu begleiten sowie Transferleistungen auf den spezifischen Bedarf der Arbeitsebene anzupassen.

In der Startphase testeten wir dafür im Juli 2016 im Rahmen eines gemeinsamen Workshops im AA den vom C9 Projekt des SFB 700 entwickelten Stabilisierungsansatz. Im Workshop wurde deutlich, dass der verwendete Ansatz der mittlerweile zwischen dem AA und dem BMZ erarbeiteten Definition von Stabilisierung nicht voll entsprach und deshalb angepasst werden musste. Nach der Sommerpause führten wir deshalb mehrere Gespräche mit verschiedenen Referenten aus dem AA, um eine geeignete Anpassung zu erreichen.

Zeitgleich mit den erneuten Gesprächen im AA führte ich eine Literaturrecherche zum Thema Stabilisierung durch, konsultierte Mitarbeiter*innen des SFB 700 und traf mich mit Kollegen aus nationalen und internationalen Institutionen mit entsprechender Expertise. Der so angepasste Stabilisierungsansatz baut auf dem ursprünglichen C9-Modell auf und erweitert es. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Wirkung von Stabilisierungsmaßnahmen wurden so aufgearbeitet, dass sie die Praxisebene auf eine strukturierte Konflikt- und Fragilitätsanalyse verpflichten, um die Kontextbedingungen des externen Engagements sorgfältiger in den Blick zu nehmen.

Unser Ziel war es, den von uns aktualisierten Operationalisierungsansatz bei konkreten Planungen für Engagements in bestimmten Krisenländern zu testen. Mit der Unterstützung von David Remmert und Bianca Süßenbach (ebenfalls T3) gelang es uns, Zusagen von zwei Referenten für diese Erprobung zu erhalten. Der aus der Länderplanung hervorgegangene Operationalisierungsansatz wird zurzeit in Form eines interaktiven Online-Tools dauerhaft institutionalisiert und soll somit langfristig zur Anwendung kommen. Dieses Online-Tool, intern als Vademecum bezeichnet, bietet Mitarbeitenden des AA künftig Anleitungen bei Analysen, Strategie-Entwürfen, Evaluierungen u.v.m.

Zusätzlich zur Operationalisierung des Stabilisierungskonzeptes lieferte der SFB weitere Inputs zu den Themen Maßnahmenplanung (Wirkungsannahmen) und Wirkungsevaluierung. Diese Module werden ebenfalls ins Vademecum aufgenommen und können somit als weitere Transferleistung des SFB betrachtet werden. Bis Mitte des Jahres 2017 soll dieses Online-Tool im Intranet des AA installiert sein.

Diese Ergebnisse illustrieren die Bedeutung und enormen Potentiale dieses besonderen Wissensaustauschs zwischen Wissenschaft und politischer Praxis.

Über den Autor:

Kristóf Gosztonyi ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Teilprojektes C9 Aid, Minds, Hearts: A Longitudinal Study of Governance Interventions in Afghanistan am SFB 700 und war zudem drei Monate lang als „Scholar in Residence“ im Auswärtigen Amt tätig.